Reiseblog für Langsamreisende...

Erste Etappe: Bern - Spittal im Drautal

Die erste Etappe führt uns bis nach Athen, wo wir voraussichtlich anfangs Dezember ankommen. Dann kehren wir wieder zurück in die Schweiz. Wie ist noch offen... Zug, Fähre, Velo, Flug. Dies planen wir an Ort und Stelle.
Nach Athen folgen weitere Etappen entlang der Seidenstrasse, bis wir schliesslich in Xian, China, eintreffen. 


Erster Teil 2018: Bern - Ljubljana - Dubvronik - Triana - Athen


Velowege - Pässe - Fähren - Hauptstrassen

Unsere Recherchen bestätigen, dass die Schweiz, Österreich und Slowenien ein dichtes Netz an gut ausgeschilderte Velowegen haben. Anders sieht es im Balkan aus. Wie sich unsere sorgfältige Routenplanung im Balkan bewährt, wird sich herausstellen. 

Literatur über/aus Albanien unter anderem "Hana" von Elvira Dones haben uns gefesselt. Wir sind gespannt, ob wir eine Schwurjungfrau in den Bergen von Albanien antreffen werden...


Bern - Langnau im Emmental      18.08.2018       48,2 km      ↑579 m ↓428 m

Route: Bern, Ostermundigen, Deisswil, Settlen, Worb, Trimstein, Konolfingen, Bowil, Signau, Langnau 

 

Endlich können wir unsere langersehnte Veloreise starten. Bevor es aber richtig losgeht, müssen wir noch etwas sehr wichtiges erledigen... Ein Schüler hat mir zum Abschied einen Travel Bug (Infos dazu unter Geocaching.com Trackables) geschenkt und den muss ich unbedingt zum selben Zeitpunkt wie wir unsere Reise starten, losschicken. Der Travel Bug hat nämlich die Aufgabe, dieselben Länder zu bereisen wie wir. Wie lange braucht er wohl, bis er in Athen ankommt? 

Zudem stellen wir beim Packen fest, dass unsere vier Ortlieb Taschen doch nicht genug Platz bieten für das Zelt, den Schlafsack und die wärmeren Jacken. Somit ist schon eine winzige Routenänderung angezeigt. Wir fahren über Bern, den Bahnhofplatz, um in ein grösseres Sportgeschäft zu gelangen, wo regendichte Säcke erhältlich sind. Und nun sind wir stolze Besitzer eines solchen Bags und ich freue mich zumindest - Martin weniger - bis wir das erste Mal im trockenen Schlafsack nächtigen. Dieser kleine Umweg hat zudem den Vorteil, dass wir unsere Velotour wirklich in Bern starten!

Los gehts über Worb, Konolfingen, Zäziwil bis nach Langnau. Die hügelige Landschaft bietet immer wieder wunderbare Ausblicke, die mit einiger Muskelkraft verdient werden muss. Trotzdem, es ist herrlich! 
Die Unterkunftssuche in Langnau gestaltet sich etwas schwieriger als gedacht. Drei Hotels klopfen wir ab, bis wir schliesslich Unterschlupf finden. Nach einer wohltuenden Dusche und einem wunderbaren Essen, suchen wir den Bewegungsausgleich. Wir spazieren durch Langnau und sind angetan von den alten herrschaftlichen Fabrikantenvillen, den alten schönen Holzhäusern, den verträumten Plätzen und Brunnen, die erfrischendes Wasser spenden. Im 1800 Jahrhundert blühte in Langnau der Tuch- und Käsehandel. Wer hätte gedacht, dass zu dieser Zeit Langnau ein mondäner Ort war?


Langnau - Luzern        19.08.2018        60.7 km        ↑354 m ↓571 m

Route: Langnau, Trubschachen, Eschholzmatt, Schüpfheim, Entlebuch, Wolhusen, Malters, Luzern

 

Sonntagmorgen in Langnau: Der Brunnen vor dem Hotel plätschert munter, es ist ruhig im Dorf. Nur zwei junge Leute, um die zwanzig, unterbrechen für einen kurzen Moment die Stille: Sie rammen beim Brunnen einen Pfahl mit einer Hinweistafel in den Boden. Wir gehen zur Tafel und lesen darauf: Heute Zwirbele. Dem Logo nach (Scherenschnitt mit Bauernmotiv) organisiert eine Trachtengruppe diesen Event. Nicht weit von dieser Werbetafel entdecken wir ein grosses Werbeplakat. Auf diesem sind zwei herzige Kinder in der Berner Tracht abgelichtet. Text darunter: Gelebtes Brauchtum. Unser Eindruck: Langnau hat ein funktionierendes Vereinsleben. Aber wir müssen weiter. Luzern ist heute unser Ziel.

Der Veloweg von Langnau nach Trubschachen führt der Ilfis entlang. Wunderbar, ohne motorisierten Verkehr und kaum merkbarer Steigung. Phantastisch dieses ruhige und von Tradition geprägte  Krachental – so besingt es Tinu Heiniger. 
In Trubschachen ist was los. Freundliche, behäbige Männer weisen die Autos in Reihen ein. Nur uns Velofahrer winken sie durch. Bei der Fussgänger-Holzbrücke über die Ilfis gibt es einen Menschenstau. Wir zirkeln mit dem Velo über die Brücke und in die Menschenmenge. Traditionelles Handwerk wird vorgezeigt: Klöppeln, Töpfern, Korben, Schnitzen, Schmieden, Balken mit dem Beil bearbeiten …
Beim Stand mit den Glocken kommt mir in den Sinn, dass wir keine Glocke eingepackt haben, die wir zum Vertreiben der Bären bei der Wanderung durch den Thet Nationalpark in Albanien benötigen. Die kleinen leichten Ziegenglöckchen wären gerade zu ideal zum Mitnehmen - oder nehmen wir doch lieber eine schwere Kuhglocke mit vollem Ton? Ich lass mir ein Ziegenglöcklein zeigen. Zieht der helle Klang etwa die Bären an? Wir lassen es, wir haben ja eine Veloglocke und Werkzeug dabei und die können wir bei Bedarf an den Wanderstock montieren. 


Luzern - Unterägeri        20.08.2018        43,64 km        ↑544 m ↓275 m

Route: Luzern, Emmenbrücke, Root, Rotkreuz, Cham bis Lorze, Baar, Lorzeschlucht, Neuägeri, Unterägeri  

 

Frühstück mit Gästen aus aller Welt - unsere Unterkunft ist für diese Nacht die Jugendherberge am Rotsee.
Heute Morgen verzögert sich die Abfahrt um ca. eine Stunde - wir suchen verzweifelt den Schliessfachschlüssel. Endlich, da ist er! Nicht im separaten Sack für Portmonnaie usw. sondern im Gewühl der grossen Tasche. Die Disziplin beim Vorsorgen der Gegenstände hat definitiv Verbesserungspotential! 
Etwas genervt, dennoch glücklich, beladen wir unsere Velos. Da, stellt Martin fest, dass eine Schraube am Frontlader locker ist. Die muss angezogen werden, sonst könnte es gefährlich werden. Zum Erstaunen aller Zuschauer greife ich zielstrebig in die Tasche und ziehe das passende Werkzeug hervor. Hahah, wer hätte einen so präzisen Griff nach der vorhergehenden Suchaktion erwartet!

Schrauben angezogen, Gepäck geladen, los geht's die stark befahrene Strasse hinunter, die uns zum Veloweg  9 führt, dem wir entlang der Emme bis nach Cham folgen. Herrlich ist es im Schatten der Bäume und ohne Verkehrslärm zu radeln.
Von Cham aus schlagen wir den Veloweg über das Lorzetobel ein. Auch hier ist es wieder traumhaft schön im Schatten zu fahren - mindestens 3 Grad kühler als an der Sonne - müssen doch 300 Höhenmeter überwinden. Nebst der Höllgrotte bietet das Lorzentobel einen Einblick in die frühe Industrialisierung mit Wasserkraft. Die drei Lorzetobel-Brücken geben einen Einblick in die Geschichte des Brückenbaus aus dem Mittelalter bis in die Neuzeit.


Unterägeri - Einsiedeln        21.08.2018        25.6 km        ↑488 m ↓335 m

Route: Unterägeri, Morgarten Schlachtkappele, Sattel, Zinggennas, Biberegg, Rothenthurm, Müllernboden, Bibersteg, Äussere Altmatt, Katzenstrick, Einsiedeln 

 

Der Veloweg/Wanderweg auf der Südseite des Ägerisees ist traumhaft! Velofahren entlang dem Wanderweg ist offizell erlaubt. Bald erreichen wir Morgarten. Beim Letziturm erinnern wir uns an den Geschichtsunterricht, wie die Eidgenossen die Habsburger damals in den in den See trieben.
Ein Einheimischer gibt uns den Tipp, nicht entlang der Hauptstrasse zu fahren, wo es weniger steil ist, sondern dem Veloweg 9 entlang. Ab nun geht` es in brütiger Hitze aufwärts: Sattel, Rothenthurm und schliesslich über den Chatzenstrick nach Einsiedeln. Innerhalb von kurzer Zeit gewinnen wir viele Höhenmeter... Gegen Mittag erreichen wir keuchend Rothenthurm.  

Die Landschaft ist traumhaft und der Duft des getrocknetem Emds weckt in mir Erinnerungen an die Kindheit. In der Ebene von Rothenthurm wird uns bewusst, wie schrecklich es wäre, wenn hier Industriebauten stehen würden! 

Bei Altmatt biegen wir in ein kleines Strässchen ein, das hinauf zum Chatzenstrick führt. Keuchend und pustend oben angekommen, öffnet uns eine traumhafte Sicht auf die Urneralpen. Was wohl der Flurname Chatzenstrick bedeutet? 
Und jetzt die Belohnung: Talfahrt nach Einsiedeln. Gefahrentafel "Vorsicht". Belagschäden. Schade. Wir konnten nur begrenzt runtersausen. Aber schön wars trotzdem!  
Nebst ein paar Velofahrern flanieren vor allem Pilger und Pilgerinnen durch die Stadt, die die prächtigen Häuser und Gässchen bestaunen. Die Besichtigung des Klosters, der dazugehörigen Gärten und dem Gestüt beeindrucken uns. Einsiedeln ist eine Reise wert! 


Einsiedeln  - Weesen        22.08.2018        46 km        ↑488 m ↓959 m

Route: Willerzell, Sattelegg 1180 m, Wäggithal, Ziegelbrücke, Weesen

 

Mit Erstaunen stellen wir fest, dass Einsiedeln viele Nationalitäten anzieht. Beim Frühstück treffen wir auf eine Gruppe Chinesen, Araber, Russen, Afrikaner und Amerikaner. Sind die alle wegen dem Kloster gekommen? Nein, die Frau an der Rezeption erzählt uns, dass viele Touristen aber auch Geschäftsreisende von Zürich aus hierher kommen aus dem einfachen Grund: tiefere Zimmerpreise.  

Wir satteln unser Velo und fahren bei noch angenehmen Temperaturen die paar Meter zum Meinradsbrunnen, wo wir unsere Trinkwasserflaschen füllen. Von den vielen Röhren speisen nur gerade 6 Wasser. Die restlichen sind trockengelegt. Ist dem so, weil es diesen Sommer so trocken ist oder hat es etwas mir der Sanierung des Klostervorplatzes zu tun? Ein Grossprojekt im Umfang von 100 Mio Franken.
Der Veloweg zum Sihlsee führt der Hauptstrasse entlang, hat jedoch einen eigenen Radstreifen. Die Fahrt über die Seebrücke mit dem spiegelglatten See und dem wunderbaren Bergpanorama ist ein eindrücklicher Auftakt in den noch jungen Tag.
Wir wählen die Route über über die Sattelegg in die Linthebene. Anfänglich ist die Steigung sehr angenehm, kaum merklich und oft im Schatten. Kurz bevor der Passhöhe steigt die jetzt unbefestigte Strasse steil an und wir müssen unsere Räder schieben. Dennoch es war ein guter Entscheid, diese Route zu nehmen. Kein motorisierter Verkehr – nur einige Mountainbikes und wir.
Die Aussicht auf der Sattelegg, vom Säntis bis zum Glärnisch, ist überwältigend. Wir geniessen im Restaurant ein währschaftes Mittagessen und freuen uns dabei schon auf die Talfahrt.
Siebenen, am oberen Zürichsee, liegt 700 m tiefer als die Sattelegg. Werden da die Felgenbremsen mit all dem Gepäck nicht heiss laufen? Wir halten noch im oberen Drittel der Talfahrt an und stellen fest, dass die Felgen so heiss werden, dass wir beim Berühren fast unsere Finger verbrennen. Warten und Abkühlen ist angesagt. Drei Mal halten wir an und nutzen die Gelegenheit gerade auch noch zum „fötele“. Ab nun geht es der Linthebene entlang - ganz ohne Steigung und Gefälle - auf gut ausgeschilderten Radwegen.  Mit Rückenwind sausen wir gegen Ziegelbrücke. In Wesen, einem verträumten Kurort, lassen wir uns für die Nacht nieder.  


Weesen – Bad Ragaz     23.08.2018        48.3 km        ↑292 m  ↓204 m

Route: Ziegelbrücke, entlang der alten Strasse nach Walenstadt, Tscherlach, Berschis, Flums, Sargans, entlang dem Rheindamm bis Bad Ragaz 

Heute geht es beizeiten los. Gewitter sind Gewitter angesagt. Wir fahren nur den halben Tag. Am Nachmittag wollen wir in Bad Ragaz sein und dann in die Tamina Schlucht wandern oder im Termalbad faulenzen. 

Der Radweg entlang des Walensees führt zu grossen Teilen über die alte Strasse. Auf dieser Strasse bewegten sich die Autos - bevor die Autobahn gebaut wurde - an den Wochenenden im Schneckentempo vorwärts. Der Walensee wurde zum Qualensee…
In Sargans wählen wir die Route über den Rheindamm. Nebst dem wunderbaren Blick auf das Fliessgewässer, das zur Zeit wenig Wasser führt, und auf die Berge, vermitteln Informationstafeln allerlei Wissenswertes über die Landschaft.
Bad Ragaz zeigt eine einzigartige Kunstausstellung „Bad Ragartz“ vom 05.05-04.11.2018. Künstler aus aller Welt stellen ihre Werke aus – im Gesamten sind es 800 Objekte. Auch vor und in unserem Hotel stehen einige Werke. Wir verspüren Lust auf mehr Kunst und so verschieben wir das Termalbad und die Taminaschlucht auf einander Mal.


Bad Ragaz - Appenzell        24.08.2018        66 km      ↑650 m (mit AB 400 m)        ↓150 m

Route: Über den Rheindamm von Bad Ragaz bis Buchs. Dann entlang der Dörfer: Gams, Sennwald, Frümsen, Sennwald Oberried Altstätten, Gais, Sammelplatz, Lehn Appenzell. 

 

Die Abkühlung und der Regen in der vergangen Nacht waren dringend nötig. Die Laubbäume werfen nämlich schon wie im Herbst ihre Blätter ab. Als wir gegen Mittag losfahren, regnet es. Zum ersten Mal auf dieser Reise ziehen wir unsere Jacken an, doch nicht für lange. Auf dem Rheindamm hört es auf zu regnen und die Sonne blinzelt durch ein Wolkenloch. Wir haben keinen Gegenwind, dafür viele entgegenkommende Rennfahrer… Irgendwas muss hier los sein! Bei der Holzbrücke über den Rhein bei Vaduz lesen wir auf einem kleinen gelben Plakat: Bitte rechts fahren, Radrennen vom 15. – 30. August, Swissultra. Gut zu wissen! Und schon bald überholen uns von hinten einige Renner. Eine Frau winkt uns herbei und erzählt uns, dass ihr Mann auch am Swissultra teilnimmt und sie ihn begleitet, verpflegt und pflegt. Sie zeigt uns ihren Unterstützungsposten mit der gesamten Einrichtung. Wir mit unseren 6 Ortlieb Taschen und zwei regenfesten Säcken haben im Vergleich sehr wenig Bagage! 

In Buchs fahren wir durch die Bahnhofstrasse. Ich halte Ausschau nach einem Optiker, denn die Korrektur meiner Sonnenbrille scheint nicht mehr zu passen. Leider ist da nichts zu machen. Auf passende Gläser müsste ich zirka 14 Tage warten und das ist mir definitiv zu lange. Ich entscheide mich, bis auf weiteres blinzelnd durch die Gegend zu fahren und vielleicht scheint ja nicht die ganze Zeit die Sonne... 

Am Werdenbergsee mit Blick auf das gleichnamige Schloss machen wir eine kurze Mittagspause. Danach geht es über den Radweg Nr. 2 nach Altstätten. Wir entscheiden uns für die Appenzeller-Bahn für den Aufstieg ins Appenzellerland. Diese schiebt uns mit dem typischen Geratter einer Zahnradlok die 400 m nach Gais hoch. Von Gais aus fahren wir über den Sammelplatz und Lehn nach Appenzell. Im Lehn treffen wir schon auf meinen Göttibueb und unterhalten uns ein wenig zu lange, denn es beginnt intensiv zu regnen. Los geht’s runter vorbei am Clanxfestival, das dieses Wochenende stattfindet, nach Appenzell. Wir kommen pudelnass bei meiner Schwester und meinem Schwager an. Auf uns wartet eine warme Dusche und ein herrliches Nachtessen. Herzlich willkommen!


Zwei "velofreie" Tage in Appenzell vom 25.-26.08.2018

Appenzell bietet dieses Wochenende besondere kulturelle Veranstaltungen: Mittelalter Spektakel und Clanxvestival. Zusammen mit meinen Verwandten besuchen wir beide Events.

Das Mittelalter-Spektakel im Dorfkern von Appenzell ist ein Erlebnis für Gross und Klein. In den Gassen herrscht buntes Treiben: Handwerker zeigen ihre Künste, Händler und Bauern bieten Waren feil. Musikanten aus der Region bezaubern die Zuhörer mit alter Musik, auf historischen Instrumenten gespielt, Gaukler unterhalten die Gäste. Speis und Trank nach mittelalterlicher Art, von Appenzeller Gastwirten, Metzgern und Bäckern angeboten, sorgen für das leibliche Wohl.

Das Clanxfestival ist ein überschaubarer Anlass der besonderen Art. Die einzigartige Lage des Festivals - ca. 30 min zu Fuss von der AB Haltestelle Sammelplatz oder von Appenzell -  und die traumhafte Aussicht auf die Appenzeller Bergwelt begeistern die Besucher und die Bands. Etwa 300 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen sorgen dafür, dass den Gästen an nichts fehlt. Ein abwechslungsreiches Programm und sehr gutes Essen sorgen für gute Stimmung. Und die war da, trotz der heftigen Regenfälle am Samstag. 


Appenzell - Braz b. Bludenz        27.08.2018        62 km  ↑535 m        ↓635 m

Route:  Appenzell, Eggerstanden, Rüthi SG, Meiningen Vorarlberg, Bludenz, Ausserbraz

Bei strahlenden Sonnenschein verlassen wir Appenzell schon früh am Vormittag. Wir wollen, bevor wir die Schweiz verlassen,  unser GA sistieren. Die freundliche Beamte am Schalter der Appenzeller-Bahnen teilt mir mit, dass das GA nur für einen Monat und nicht drei Monate - wie wir es gerne hätten - hinterlegt werden kann. Dann halt!
Der Veloweg ins Rheintal f¨ührt über die alte Eggerstandenstrasse. Der Regen übers Wochenende klärte die Luft - der  Alpstein vom Kamor bis zum Säntis scheint greifbar nah zu sein. Ist wohl ein wenig föhnig! In Eggerstanden, bei der Kirche, machen wir einen kurzen Zwischenstopp. Wir wollen einen Geo-Cache loggen. Einige Steine müssen wir umdrehen, bis wir die Dose finden und uns ins Logbuch eintragen können.  

Von Eggerstanden hinunter zum Eichberg und Oberried vernichten wir die meisten Höhenmeter des heutigen Tages. Die Überquerung des Rheins und der Landesgrenze bei Meningen, kurz nach Oberriet, ist unspektakulär. Wer hätte auch etwas anderes erwartet!  Just nach der Grenze folgen wunderschöne verkehrsfreie Passagen durch Wälder und entlang des Rheindammes bis nach Feldkirch. Am Theaterplatz in der herausgeputzten Altstadt ergattern wir uns eine Liege und geniessen unsere leckeren Appenzellerspezialitäten.  

Die Weiterfahrt über gut markierte und moderat ansteigende Velowege bis Bludenz stellt weder kräftemässig noch geographisch eine Herausforderung dar. In Bludenz suchen wir zwecks Übernachtungsmöglichkeiten und der geplanten Passfahrt über den Arlberg das Touristenbüro auf. Die Tourismus-Fachfrau rät uns eingehend von der Passfahrt ab, da der Bahntunnel geschlossen ist und viel Schwerverkehr über den Pass fährt. Trotzdem, wir fahren weiter das Tal hinauf bis nach Ausserbraz, wo wir im Hotel Traube eine passende Unterkunft mit Schwimmbad finden. Erfrischend das Wasser und wohltuend die andere Fortbewegungsart! 


Braz - Roppen (Tirol)        28.08.2018        35.5 km        ↑170 m     ↓xx m

Route:  Ausserbraz, zurück nach Bludenz 9.6 km, dann Bahnersatzbus nach Landeck; weiter mit dem Velo nach Roppen 25,5 km

Wir befolgen den Rat der Tourismusfach-Frau und entscheiden uns für den Bahnerstatzbus durch den  Arlberg. Am Bahnhof Bludenz herrscht bei den Bahnangestellten etwas Verwirrung. Der Schalterbeamte will uns kein Billet geben, da wir zuerst den Platz im Bus reservieren müssen. Und der Fahrer des Bus ist der Ansicht, dass wir zuerst das Billet haben müssen und dass er keine Fahrräder und dergleichen mitnehmen müsse. Nach einigem Hin und Her - noch ohne Billet und Zusage und ein paar Minuten vor der Abfahrtszeit - kommt ein altgedienter Beamter daher und sagt bestimmt zum Busfahrer: "Die zwei Radler müssn mit." Er ergreift unsere Räder, schickt Martin die Billete kaufen und verstaut Velos und Gepäck im Laderaum des Bus. Dies natürlich nicht zur Freude des Fahrers. Der mault noch etwas Unverständliches vor sich her und noch dass er dann für Schäden nicht hafte. Nun brausen wir über die Autobahn auf den vorderen Sitzen eines bequemen Bus über die Autobahn und geniessen die herrliche Landschaft ganz ohne Anstrengung. 
In Landeck entladen wir unsere Velos und folgen dem beschilderten und gut angelegten Inntalradweg. Unterwegs stossen wir auf Abschnitte der Via Augusta mit noch heute ersichtlichen Fahrrillen. Schon damals gab es unterschiedliche Spurbreiten...

Bei einem Bauernhof mit Selbstvermarktung geniessen wir (ich) ein feines Joghurt. Derweil surft Martin im word wide web; er sucht nach einer Unterkunft für heute Abend. Nach längerem Suchen eröffnet er, dass in ca. 20 km Entfernung eine passende Übernachtungsmöglichkeit sei.  
Martin, gerade gegenüber  ist ein „Zimmer zu vermieten“  – voilà!" Wir beziehen eine tolle Unterkunft bei einer netten Bauernfamilie. Gute Gespräche sind im Zimmerpreis eingeschlossen.

 


Roppen - Innsbruck        28.08.2018        54.36 km       ↑71 m      ↓194 m

Route: Inntalradweg bis Innsbruck mit Besichtigung Stift Stams (Zisterzienser-Kloster)

Nach einem guten Frühstück bei unserer Gastgeberin starten wir bei schönem Wetter Richtung Innsbruck. Der Inntalradweg ist wieder schön, trotz der zeitweise brummenden und surrenden Autobahn, die mich zeitweise störte. 

Beim Stift Stams  machen wir halt. Wir sind beeindruckt von der Grösse und dem filigranen Barock Bauwerk. Wir studieren die bewegte  Geschichte (vier Mal wurde der Klosterbetrieb aufgehoben; das letzte Mal im 2. Weltkrieg, als es als Lager benutzt wurde) und nehmen zur Kenntnis, dass sie Fremdenzimmer nur an Männer vermieten. (Das wäre für mich die Gelegenheit gewesen im Zelt zu schlafen!)
Die Wettervorhersage für die kommenden Tage sehen schlecht aus. Wir werden in Innsbruck entscheiden, wie wir die zwei Alpenketten überqueren. Martin hat verschiedene Routen geplant, beide davon über den Grossglocknerpass, 2576 m ü.M. Aktuell schneit es dort oben... Spikes und Ketten haben wir keine dabei.
Eine Freundin von mir hat den Brennerpass im Frühsommer mit dem Velo überquert. Sie berichtete positiv, obwohl Autobahn, Eisenbahn und Provinzstrassen über den Pass führen. Bis anhin erschien uns die Option Brenner nicht attraktiv. Doch nun gibt es keine andere Möglichkeit für die Alpenüberquerung ins Südtirol.
Entlang dem Fluss führt uns der Radweg - gemeinsame, aber abgetrennte Benutzung mit den Fussgängern - bis in die Innenstadt. 

Die sehr gut erhaltene Innenstadt mit den vielen prächtigen Gebäuden beeindruckt uns sehr. Im Touristoffice erhalten wir gute Infos zur Brennerüberquerung und über die Stadt. Nach einer feinen Pizza und einem Stadtrundgang by night blicken wir auf einen wunderbaren Tag zurück.

Zisterzienserabtei
Stift Stams

Ein "velofreier" Tag in Innsbruck       30.08.2018

Es regnet zeitweise in Strömen. Erst prüfen wir nochmals die Route über den Brenner und die Wetterlage. Die Aussicht, den Aufstieg von 770 m bei schlechtem Wetter zu bewältigen ist ernüchternd. Also prüfen wir auch die Möglichkeit, mit ÖV einen Teil der Höhe zu gewinnen.
Gut, dass wir in Innsbruck sind und dass es hier viel zu sehen gibt! Als erstes besichtigen wir den Dom und anschliessend die Markthalle, die einen leicht italienischen Geist und Duft verströmt. Hier gibts herrliches Essen - Falafel, Couscous, Bulgur, Salat... 
Es regnet noch immer - perfekt für Museumsbesuch und Stadtbummel. Als erstes bestaunen wir die Hofkirche und die Silberkapelle, in der sich Kaiser Maximilian I. prunkvoll verewigte. Maximilian I. prägte den grössenwahnsinnigen Wahlspruch: A, E, I, O, U, was so viel heisst wir: Alles Erschaffene ist Österreich Untertan oder: Austriae est imperare orbi universo.
Im Volkskunstmuseum finden wir uns im Mittelalter und in der Renaissance wieder. Alltags- und Kunstgegenstände, aber auch historische Stuben werden im Kontext der Zeit und der Religion eindrücklich gezeigt. 

Müde und glücklich schliessen wir den Stadtbesuch mit einem Bier im Stiftskeller ab.


Innsbruck - Brixen (Südtirol)        31.08.2018        51 km       ↑289 m  ↓1049 m

Route: Aufstieg mit Bahnersatzbus und S-Bahn bis zum Brennerpass, dann Abfahrt bis nach Brixen

 

Nach dem velofreien Tag verspüren wir wieder Lust aufs Velofahren. Die Wolken hangen tief und es regnet intensiv. Beim Auschecken an der Rezeption sagen sie uns, dass starke Gewitter für den Vormittag vorhergesagt sind. Ja, dann werden wir wohl besser unsere Entscheidung den Brenner auf der alten Bezirkstrasse hochzufahren, überdenken. Wir verhüllen uns in unsere Regenbekleidung und fahren zum Bahnhof. Unterwegs sagt hören wir mehrmals den Spruch: „Mutig, mutig bei diesem Wetter zu radeln“! Nach kurzer Fahrt durch die Stadt, stehen wir tropfnass in der Bahnhofhalle. Martin geht zum Schalter und will die Billette für den 10:30 Uhr Bus lösen. Der Schalterbeamte bestand darauf, dass wir erst um 13:30 Uhr mit dem „Radel“ mitfahren dürfen. Das war ganz und gar nicht nach unseren Vorstellungen. Was sollen wir triefend vor Nässe und mit all dem Gepäck in der Stadt unternehmen? Für 3 ½ Stunden Lesen, Sudokus oder Kreuzworträtsel lösen und dazu Kaffee trinken? Nein, das machen wir nicht. Wir schieben unsere Räder mit allem Drum und Dran zur Abfahrtsplattform „Schienenersatz Brennero“. Dort stehen bereits ein paar ältere Passagiere, die wahrscheinlich nach Innsbruck zum Einkaufen gingen und jetzt wieder auf dem nach Hause wollten. Eine meint: „Bei so einem Wetter zu radeln ist ja nicht schön! Da solltn sie Sonne haben.“ Zeitlich kommt der Fahrer daher. Die wartenden Passagiere begrüssen ihn mit Peter und sagen zu ihm: „Das ist ja schön, dass du uns heute hochfährst. „Kommt gut“, geht mir durch den Kopf. Ich frage Peter, ob wir mit ihm hochfahren dürfen. Er sagt: „Dürfen schon, wenn Sie können.“ Wir verstauen unsere Räder samt Bagage im Passagierraum und freuen uns mächtig, dass wir nicht Stunden unnütz am Bahnhof in Innsbruck verbringen müssen. In Steinnach steigen wir auf den Zug um, der uns in wenigen Minuten zum Brennerpass befördert.
Nun, die nächste Herausforderung wartet bereits auf uns. Wir finden weder Rampe noch Lift um vom von den Geleisen zum Bahnhofvorplatz zu gelangen. Das heisst, wir müssen unsere Gepäck abladen und dann jedes Stück einzeln die Treppe runter, unten durch und wieder die Treppe hoch tragen. Keine optimale Betätigung für Martin, der immer noch mit seinem Hexenschuss kämpft!
Da kommen drei Grenzbeamte daher. Martin fragt sie wegen einem „rückenschonenden Übergang“ zum Bahnhofvorplatz. Der eine meinte, wir können über die Geleise, sei aber etwas pericoloso und wir müssen gut aufpassen. Kurzerhand packen die zwei anderen Zöllner mein Velo mitsamt Gepäck, tragen es die eine Treppe hinunter und die andere wieder hoch. Oben warten sie auf mich und übergeben mir mein Gehabe. Diese Tat war wohl eher ein „Nonna“-  als ein „Ragazza“ Bonus! Immerhin, wir müssen nur noch Martins Velo hochhissen.
Schliesslich fahren wir von Kopf bis Fuss mit Gortex eingepackt den wunderschönen Veloweg – ein altes Bahntrasse – hinunter nach xxx, wo wir, gerade noch bevor der Koch in die Mittagspause geht, Hirtenmakronen serviert bekommen. 

Frisch gestärkt fahren wir das Eisacktal hinunter bis nach Brixen. Brixen ist eine wunderschön mittelalterliche Kleinstadt. Die schmucken Häuser mit ihren Lauben erinnern uns an Bern. Einen weiteren Tag hier zu bleiben, um in den Lauben und Gassen zu flanieren, könnten wir uns gut vorstellen... Und zudem müssen wir unseren Rädern einem kleinen Service verpassen: Die Bremsen ziehen schlecht. 

Brenner-Radweg entlang eines alten Eisenbahntrasses
Brenner-Radweg entlang eines alten Eisenbahntrasses

Ein "velofreier" Tag in Brixen        01.09.2018

Mit der trüben Wetterprognose für den Aufstieg übers Pustertal Richtung Österreich entschliessen wir uns definitiv den Tag in Brixen zu verbringen.

Die Bischofsstadt Brixen verbindet mittelalterlich-barockes Flair mit modernem Lebensstil. Brixen liegt am Zusammenfluss vom Eisack –  dieser entspringt am Brenner, wir sind ihm entlang nach Brixen runter gefahren – und der Rienz, die am Fusse der drei Zinnen ihren Ursprung findet.  

Dem Stadtführer entnehmen wir, dass bei einem Streifzug durch die Stadt die Besichtigung des Brixner Doms des dazugehörenden Kreuzgangs, wie auch der Weisse Turm, der die beiden Türme des Domes überragt, nicht fehlen darf.

Für den Bummel durch die Grossen und Kleinen Lauben brauchen wir zudem keinen Regenschirm. Wenn wir nicht gerade die schmucken Erker und die farbenprächtigen Fassaden bestaunen, dann regnet es uns aufs Haupt resp. Glatze.

Bei der Besichtigung mit Führung des „Weissen Turm“ bekommen wir einen guten Einblick in die Geschichte Brixens und der Rolle des Kirchturms über die Jahrhunderte. Wichtig war u.a. die Aufgabe des Nachtwächters, der vor Feuern warnte. Nachts musste er zudem jede volle Stunde ausrufen. Zweck: die Leute wussten, dass er Wache hielt.

Die letzte Renovation in 2007 war u.a. nötig, da der Turm den Belastungen des Kirchengeläuts nicht mehr Stand hielt. Er schwankte während des Geläuts bis 7 cm hin und her. Im neuen Glockenstuhl werden bei den grossen Glocken Ausgleichsgewichte zur Kompensation der Kräfte eingesetzt. Der gute Unterhalt der Stadt lässt auf einen hohen Wohlstand im Südtirol schliessen. 

Ein kleiner Veloservice steht noch an: Wir müssen unbedingt Bremsklötze besorgen. Die neuen Klötze, die wir vor unserer Abreise montiert haben, sind abgefahren, was uns sehr erstaunt. Brixen ist beliebt bei Wanderern und Bikern und so finden wir schnell ein Fachgeschäft. Der Velomechaniker, dem wir unser Anliegen schildern, klärt uns auf: Der Steinstaub des Brenners zusammen mit dem Regenwasser sei sehr abrasiv und lasse die Bremsklötze nur so dahin schmelzen. Er verkauft uns ein Schweizer-Produkt, das angeblich sehr gut ist. Bremsklötze in der Schweiz hergestellt? Neue Erkenntnis! Für uns war bis anhin Shimano der Inbegriff für Veloersatzteile… Auf jeden Fall bremsen sie gut und die Montage war auch problemlos. 

Im Übrigen stellen wir fest, dass die Leute die Zweisprachigkeit sehr gut beherrschen. 


Brixen - Bruneck         02.09.2018        38.9 km        ↑641 m        ↓376 m

Route: Brixen, Raas, Schabs, Aufstieg über das Pustertal bis nach Bruneck

 

Endlich, ein fast regenfreier Tag! Der Hotelier empfiehlt uns, den steilen Aufstieg über Raas ins Pustertal zu nehmen. Dies lohnt sich; wir werden immer wieder mit einem wunderbaren Ausblick übers Tal von Brixen (Eisacktal) belohnt. In Schabs stossen wir auf den offiziellen Pustertal Radweg.  Dieser steigt nun moderat an und führt über die Wasserscheide bei Toblach bis ins Drautal (aber heute fahren wir nur bis Bruneck.) Ein riesiges Kompliment an die Südtiroler „Radwegbauer“, die sich enorm Mühe geben den Langsamverkehr mit eigenen Brücken, Unter- und Überführungen vom motorisierten Verkehr zu trennen und dazu noch durch landschaftlich schöne Abschnitte zu führen. 

Kein Wunder, sieht man viele Radfahrer und viele Hotels, die sich um Radfahrer kümmern! Unser Hotel in Brixen hatte z.B. eine kleine Reparaturstation für Velos, die wir zum Wechseln der Bremsklötze und zum Ölen der Ketten nutzten.
Kurz vor Bruneck, fast am Ziel, beginnt es zu regnen. Doch für die paar hundert Meter lassen wir die Regenbekleidung in der Tasche. In Bruneck wimmelt es von Ausflüglern. Hätten wir unterwegs nicht ein „letztes Zimmer oder Schnäppchen“ bei Booking.com im Hotel Andreas Hofer gebucht, müssten wir wahrscheinlich das Zelt aufschlagen… Martins Hexe hätte sich darüber gefreut!
Die Serviertochter, eine Studentin, erzählt uns von ihrer „gefühlten“ Staatszugehörigkeit. Sie sagt, dass die Leute hier in Bezug auf Pünktlichkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit den Österreichern nahe stehen, aber dass das Sozialverhalten ähnlicher zu jenem der Italiener sei. Eine perfekte Mischung, finden wir! Uns erstaunt, als sie erzählt, dass die Erstsprache in der Schule Deutsch ist und dass nur drei Lektionen pro Woche Italienisch unterrichtet werden. Weiter erzählt sie, dass bei den Schulabgängern nur wenige die italienische Sprache einigermassen beherrschen. 


Bruneck - Innichen        03.09.2018       35.64 km        ↑595 m        ↓254 m

Route: Entlang dem Pustertaler Radweg bis zur Wasserscheide bei Toblach, danach Drautalradweg bis Innichen

 

Die Wolken hangen tief, es ist kalt. Unsere Wäsche trocknete nicht in der Nacht. Kein Wunder, der Radiator war ausser Betrieb! So falten wir die noch feuchte Wäsche, stecken sie in einen Jutesack und binden den an unseren Ortlieb Taschen fest.
Wir fahren resp. stossen unsere Räder durch die Altstadt. Schon am frühen Vormittag sind viele Touristen, Wanderer, Biker und Shopper unterwegs. Sogar ein Strassenmusiker mit Gitarre und einer hellen Tenorstimme entzückt zu dieser frühen Stunde viele Passanten. Nur wir kurven um ihn, denn wir wollen aus dem Gewühl heraus und losfahren. Aber zuerst müssen wir noch Schuhbändel besorgen, Martins sind gerissen und ich brauche einen für etwas, das ich in meiner Tasche versteckt halte und es demnächst an mein Velo binden will. Martin hütet die Räder, während dem ich mich im Sportgeschäft umsehe. Die Schuhbändel befinden sich nicht bei der Kasse, sondern wie mir die Verkäuferin mitteilt im 4. Stock. Ich steige die Treppen hoch. Fitbit, meine Armbanduhr wird mir am Abend dafür gratulieren. Wie doch so ein Gadget motivieren kann! Unterwegs erblicke ich all die tollen Marken wie Arcitex, Jack Wolfskin, Northface, Gonso, Meru, Fjällräven, Icebreaker… Ein kurzer Blick auf den Preis Tag. Die Produkte sind etwa gleich teuer wie in der Schweiz. 
Unterwegs, in einem schmucken Dorf, werden wir von einem Fahnen schwenkenden Herrn angehalten. Den Grund für sein Getue können wir nicht erahnen. Bald darauf erscheint eine junge Frau auch mit Fähnchen in der Hand. Sie fordert uns auf, zwei Minuten zu warten und ganz nahe an die Häuserwand zu stehen. „Weshalb müssen wir das tun“ fragen wir sie. Sie sagt, dass ARD einen Liebesfilm drehe und wir nicht ins Bild passen. Aha, unsere Velobekleidung ist wohl nicht sexy genug! Nach langen zwei Minuten dürfen wir endlich den Platz des Geschehens passieren. Ein an den Platz angrenzendes Café mit Gartenwirtschaft bietet uns ungehinderte Sicht auf die x-Mal wiederholende Verfilmung der Szene. Die brauchen Nerven!
Uns ist lieber noch ein paar hundert Meter das Tal hinauf bis zur Wasserscheide bei Toblach zu fahren. Der Gegenwind im Drautal bremst uns aus – wir müssen trotz abfallendem Gelände in die Pedalen treten. In Innichen ist die Durchfahrt durch die Altstadt gesperrt. Schulter an Schulter bewegen sich die Leute durch die Gassen. Jahrmarkt, vermuten wir. Nein, falsch! Ausflugsziel und Ausgangsort für Radler, die die Drau hinunter fahren.


Innichen - Lienz        04.09.2018       41.1 km        ↑85 m        ↓532 m

Route: Entlang dem Drautal - Radweg bis Lienz

 

Wir verlassen Innichen über den alten Dorfkern. Schon jetzt sind viele Touristen unterwegs. Manche mit Rucksack und Wanderstöcken bewaffnet und wieder andere baumeln einfach von Geschäft zu Geschäft. Die Veloroute führt uns an einem Fahrradverleih vorbei. Davor stehen alle Altersklassen von fahrradfreudigen Menschen, die für den Tag oder vielleicht auch nur ein paar Stunden ein Radel mieten wollen. Der durch grüne Wiesen, lichte Lärchen- und dunkle Tannenwälder, immer entlang dem Drau führende Radweg scheint populär zu sein! Bei Picknickplätzen treffen wir auf ganze Familiensippen von der Urgrossmutter bis zum Säugling. Alle sind dabei, manchmal sogar mit allen Arten von Vierbeinern. Diese werden häufig im Anhänger mitgezogen oder sonst in einem Käfig auf dem Gepäckträger mitgeführt. Zweibeinige Tiere wie Vögel werden offensichtlich von Veloausflügen verschont. Dabei wären doch gerade die dafür geeignet. Idee: Der Vogelkäfig könnte am Lenker befestigt werden. Der Vogel müsste so konditioniert werden, dass er während der Fahrt flattert. Dies würde einen Vorwärtsschub auslösen, wäre also quasi ein 100%-iger Bio-Flyer!
Überhaupt regt Radfahren die Phantasie an. Vor allem die Fahrerinnen montieren ihre Velohelme, oft mit einer künstlichen Blume geschmückt, seitlich am Einkaufskörbchen, das wiederum am Lenker montiert ist.
Unterwegs kommen immer wieder neue Fahrfreudige dazu; Fahrradtransportgefährte entladen ganze Gruppen. Wir staunen, wie geschickt die Kinder Rad fahren und dass trotz der riesen Ansammlung von weniger geübten Radfahrerinnen und Fahrer niemand dem andern in die Quere kommt.
Gegen Lienz zu wird es immer wärmer, vielleicht ein Grund, warum wir hier etwas müde ankommen.
Oha, auch hier ist was los! Wegen dem Dolomitenmann-Marathon finden wir nur knapp eine Unterkunft. Vorerst nur für eine Nacht. Wir hoffen, dass in diesem tollen Hotel jemand absagt und wir eine zweite Nacht verbringen können. Denn die mediterran angehauchte Sonnenstadt mit über 2020 Sonnenstunden im Jahr lockt zum Verweilen.  


Ein "velofreier" Tag in Lienz        05.09.2018

Wir haben Glück. Jemand sagt ab, wir können einen Tag länger in diesem schönen Hotel bleiben. Zeit, um die bezaubernde Gebirgslandschaft in den Osttiroler Dolomiten zu geniessen!

Wenig Sport, faulenzen. Wir fahren mit der Zettersfeld Gondel- und der Sesselbahn zum Steinmandl auf 2200 m.ü.M. Bei einer Rundwanderung in alpiner Umgebung bestaunen wir das herrliche Alpenpanorma. Zu unserer Überraschung funktioniert der Peakfinder unseres Smartphones auch bei den österreichischen Berggipfeln. Rasch erkennen wir die uns einzig bekannten Dolomiter-Berge: die Drei Zinnen in der Ferne. Gegen Norden machen wir den Grossglockner-Berg aus, der uns nach dem Namen des gleichnamigen Passes bekannt ist. 

Im Restaurant Steinermandl verpflegen wir uns mit einer kräftigen Nudelsuppe. Am Nebentisch unterhält sich eine Gruppe „Matratzensegler“ aus Holland, die auf günstige Windverhältnisse hofft. Eine ältere Dame (ü. 70) auch mit Fluggerät, gesellt sich zu ihnen. Schon bald macht sich die Gruppe für den Abflug bereit – auch die Grand Old Lady. Die immer wieder wechselnden Winde und Böen brauchen Nerven bei den Piloten und bei den Zuschauern. Die ausgebreiteten Matratzen mit ihren vielen Schnüren klappen immer wieder zusammen und müssen auch untereinander entflechtet werden. Ein „Mitzuschauer“ meint: „Die müsstn ja nit olle zammen an einm Haufn starten.“ Vielleicht hat er ja Recht! Schliesslich hängen alle, ausser die Grand Old Lady in den Lüften des Drautals. Aber auch sie macht sich für den Abflug bereit. Ein Mann, ev. ihr Coach, steht vor ihr und hält bei den Armen. Gibt er ihr Anweisungen, redet er ihr gut zu oder betet er sogar mit ihr? Wir wissen``s nicht. Auf jeden Fall gelingt ihr beim zweiten Anlauf der Start und nun schwebt auch sie in der Luft. Good landing, Grand Old Lady, wünschen wir ihr im Stillen.
Auch für uns geht’s den Berg hinunter – aber bequem mit den Bahnen. Im Mocafe, einem lauschigen Café just neben der Isel, einem Gletscherfluss so grün wie die Aare, geniessen wir einen Latte Macciato aus frisch gerösteten Bohnen. Traumhaft!
Schon wieder Action: ein Dutzend Kayak-Fahrer, die sich im wilden Fluss über Steine nach oben kämpfen. Auch sie üben für den Dolomitenmann-Marathon. 


Lienz - Spittal        06.09.2018       77.8 km        ↑418 m        ↓517 m

Route: Entlang dem Drautal - Radweg bis Spittal

Heute nehmen wir unser Frühstück mit einer Gruppe Dolomiten-Marathon Sportlern und ihrem Coach ein. Den Coach erkennen wir daran, dass er nervös umhersurrt, ein ernstes Gesicht macht und irgendwelche Aufbaumittel in einem Plastiksack mit herumträg oder diese seinen Sportlern verabreicht. 

Im Hotel macht sich mit uns eine Gruppe von Eurotrek für die Abfahrt bereit. Wir erwarten - wie vorgestern erlebt - heute wieder viele Radler den Drauradweg hinunter. Nach ein paar Mal abbiegen befinden wir uns auf dem offiziellen Radweg. Wir sind alleine. Zügig kommen wir voran. Nur hie und da kreuzen wir jemanden. Bald überqueren wir die Radwegbrücke über die Drau und befinden uns in Kärnten. Entlang des Radweges sind in den Wäldern immer wieder Kalköfen zu sehen, die schon im Altertum zum Brennen von Kalk gebaut wurden. Manche sind noch sehr gut erhalten. 

Wir bestaunen einen Kalkofen und merken nicht, wie dunkle Wolken aufziehen. Die ersten schweren Tropfen fallen. Im oberen Drautal regnet es bereits. Ein Donnerwetter ist im Anzug. Wir schwingen uns aufs Velo und pedalen so schnell wie wir können ins nächste Dorf. Ein gedeckter Gartensitzplatz einer gemütlichen Gaststätte bietet uns Schutz. Donnerwetter. Zeit für Kaffee und Apfelstrudel.  

Wegen des heftigen Gewitters treffen wir in Spittal zirka eine Stunde später als geplant ein. Die Stadt macht uns einen düsteren Eindruck. Ist es der Name Spittal? Tatsächlich kommt der Name Spittal aus der Zeit der Pilgerströme im Mittelalter. Die kranken und verletzten Pilger wurden hier medizinisch versorgt. Einen schweren Schlag erlebten die Bewohner der Stadt, als vor zwei Jahren die Schuhfabrik Gabor dicht machte. Neunhundert Arbeitsplätze gingen auf einen Schlag verloren. 

Heute übernachten wir in einem interessanten Haus: Im Kolpinghaus, dem ein Internat für Jugendliche in Ausbildung angegliedert ist. Bewertung: Saubere, grosszügige Zimmer mit Holzböden, was wir besonders schätzen und reichhaltiges Frühstück. 

Wir vernehmen, dass in Villach, im nächsten Etappenziel ein internationaler Harley-Treff stattfindet. Besser, wir buchen eine Unterkunft schon im Voraus!