Velotour Belgrad - Tiflis 2019


Fortsetzung der Velotour von Bern nach Athen im 2018 --> Blog Bern-Athen 

  • am 19. Juli 2019  haben wir die erste Etappe in Belgrad begonnen. Am 5. August überquerten wir bereits die Grenze nach Mazedonien (Blog auf dieser Seite). 
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Langsam Reisen bietet Raum für Erlebnisse und Unvorhergesehenes. Darum geht es in diesem Blog, den wir gerne mit euch teilen. 

Wir bereisen die Länder Serbien, Mazedonien, Griechenland, Türkei und Georgien. 

 

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Please note: Wir haben die Darstellung geändert. Dieser Blog beginnt mit den aktuellsten Beiträgen.

 


Route von Belgrad bis Skopje
Route von Belgrad bis Skopje

Motorisiert in Südwestserbien unterwegs vom 30.07.-04.08.2019


Sonntag 4.8.: Heute besuchen wir auf dem Rückweg von den Bergen im Südwesten eines der 77 Weltwunder, die Steinpyramiden Djavolja Varos (Punkt H in Karte). Wir sind davon sehr beeindruckt – wahrscheinlich ähnlich wie die BesucherInnen der Pyramides d’Euseigne im Wallis. 

Der Rückweg nach Lescovac gestaltet sich schwierig. Wir wählen eine Hauptstrasse über die Hügel, die sich nach mehreren Kilometern unverhofft in eine Geröllwüste verwandelt. Wir denken an den schnittigen Spoiler und nehmen einen Umweg, der uns mindestens eine weitere Stunde Fahrzeit beschert. Trotzdem reicht die Zeit für einen Apéro Spritz im ABC Hotel in Lescovac. Wir geniessen den Luxus nach den zum Teil einfachen und engen Hütten in den Bergen.  

Bei unseren Kontakten in den Unterkünften fällt uns auf, dass viele Leute selbst oder ihre nahen Verwandten in der Schweiz oder in Deutschland leben oder gelebt haben. In Alexandrovac sagt uns der Neffe der Besitzerin: „Ich wohne in Steinhausen. Nächste Woche reisen wir wieder zurück, dann muss ich wieder in die Schule.“

Samstag 3.8.: Weiter, über teilweise befestigte Strassen, fahren wir heute zum Meander Uvac Special Nature Reserve (oberhalb Punkt E in Karte). Um genau zu sein, laufen wir die letzten drei Kilometer, da wir unserm Auto die tiefen Fahrrinnen nicht zutrauen. In Gesellschaft eines jungen flotten Holländers, der sein Auto neben unserem parkierte, steigen wir auf den Hügel mit der Aussichtsplattform. Auf der Aussichtsplattform angekommen, begrüsst uns eine polnische Familie mit „Hallo“ und offeriert uns gleich Guetzli. Tief unten erblicken wir den mäanderndem Fluss, auf dem ein kleines Touristenboot kurven zieht. Ebenfalls Kurven zieht eine seltene Art Geier, die hier heimisch sind. Der mühsame Weg hier hinauf hat sich mehr als gelohnt. 

Auf der Weiterfahrt in Novi Pazar (Punkt F in Karte), in der Nähe der kosovarischen Grenze, spüren wir eine andere Atmosphäre. Sind es die zahlreichen Minarette oder der Kilometer lange muslimische Friedhof, der den Weg säumt?  

In einem türkischen Café sichten wir einen Reisebus mit der Aufschrift: „Novi Pazar – Mainz.“ 

 

Freitag 2.8.: Wir lassen uns auf die nächste Bergstrecke ein, die uns ins Etno Village Sirogojno (Punkt C in Karte), ein serbischer Ballenberg, führt. Bauernhäuser, Scheunen, Speicher und Werkzeuge geben uns einen Einblick in das bäuerliche Leben von anno dazumal. (Allerdings denken wir, wenn wir die kleinen Bauernhäuser heute sehen, neben denen Pferd und Wagen stehen, hat sich kaum viel verändert.) Über fünfzig alte Objekte wurden aus der Dinar-Gebirgsgegend zusammengetragen und hier auf dem Bergrücken wieder aufgestellt. Die Bewahrung der Kultur ist der serbischen Bevölkerung auch ein Anliegen, was uns freut.

 

 

Donnerstag 1.8.: Eine kleine Touristenattraktion ist der Wasserfall bei Gostilje (Гостиље, Punkt D in Karte), den wir besichtigen wollen. Der Zugang dazu liegt in der Talsohle, bei einem riesigen, neuen Swimmingpool. Nur eine Handvoll Badende planschen im Wasser. Und auf der Liegewiese, ohne Bäume, brätelt sich niemand. Hoffen die Planer auf mehr Tourismus in dieser abgeschiedenen Gegend? Etwas besser besucht ist der angrenzende Fussballplatz. Hier wird ein Fest vorbereitet. Brot steht kistenweise zum Verzehr bereit und die Lautsprecheranlage samt Siegerpodest ist auch aufgestellt. 

Wir wandern zum Wasserfall. Herrlich, die kühle Gischt auf der überhitzten Haut zu spüren! Als wir wieder zurück zum Auto kommen, stehen witzelnde Fussballer neben unserem Auto. Wohl nicht unser Auto gibt ihnen Anlass zum Blödeln, sondern viel mehr, wie wir „Mobility-Fahrer“ den Weg rückwärts aus dem unebenen Parkplatz finden. Wir meistern die Herausforderung – vielleicht dank ihrer „Winkhilfe“. 

Mittwoch 31.7.: Über enge Strässchen fahren wir weiter ins Tara Gebirge im Westen. Kleine Nester und zwischendurch kleinste Landwirtschaftsbetriebe – 1 bis 4 Kühe - kleben an den Steilhängen. Uns erinnert das Gelände ans Emmental. 

Dienstag 30.7.: Die Drahtesel sind gepackt, wir fahren zum Flughafen Niš, wo wir den Mietwagen entgegennehmen wollen. Der Mann am Schalter fragt uns, ob wir die E-Mail nicht gelesen haben, in dem sie uns angeblich mitteilen, dass das Auto nicht verfügbar ist . Von einem solchen Mail wissen wir nichts. Er offeriert uns einen anderen Wagen, den wir nicht mieten wollen, weil er uns zu protzig erscheint. Wir gehen zur Konkurrenz und werden dort fündig. Die Velos, ohne Vorderräder, passen inkl. Gepäck in den Kofferraum. Los geht`s in die Berge. Die Landschaft wird abwechslungsreich; sie erinnert uns an die Schweizer Voralpen. Die Strasse, der wir folgen, führt nach Montenegro und ist stark befahren; sie ist eine Hauptverbindung zur Adria. Obwohl wir die Serben und Serbinnen als achtsame Autofahrer/innen schätzen lernten, wäre es mit dem Velo ein „no go.“ Die Strassen sind eng und teilweise in schlechtem Zustand.

Unterwegs kreuzen wir immer wieder Autos mit CH-Nummernschildern. So viele Schweizer auf eine kurze Distanz von 90 km fallen auf. Ein Grund dem nachzugehen. Das Bundesamt für Statistik veröffentlicht Zahlen zu Serbinnen und Serben, die in der Schweiz wohnen. Im Jahre 2018 betrug die serbische Bevölkerung in der Schweiz ca. 120`000 Personen. Viele davon verbringen ihre Sommerferien im Heimatland, so auch Jelena, die wir im Park in Niš kennen lernten und die uns ganz spontan ihre Telefonnummer mitgab, damit wir sie anrufen könnten, falls wir Probleme hätten.

Wir übernachten im Kurort Vrniačka Bania (Punkt B in Karte). Dieser Ort war zu Titos Zeiten - und jetzt auch noch - der beliebteste Kurort in Jugoslawien. Auch wir geniessen die hübsche Parkanlage mit einladenden Cafés und Restaurants. 

 


zwei „velofreie“ Tage in Niš       28.-30.07.2019

Die Sonne brennt unbarmherzig – es ist eine Qual weiterzufahren. Wir beschliessen, zwei Tage in Niš zu bleiben, zumal die Stadt einiges an Sehenswürdigkeiten bereithält, z.B. die Festung. Diese stammt aus der osmanisch-türkischen Zeit. Das Gelände - eine riesige Grünanlage - ist heute mit gefühlten 38 Grad Zufluchtsort für Hitzegeplagte. Unter riesigen Pinien, Linden und Pappeln finden wir Schutz vor der sengenden Sonne. 

Wie viele Einheimische geniessen wir den Nachmittag im Liegestuhl innerhalb der Festung bei einem Bier, das übrigens herrlich schmeckt. Zu unserer Belustigung fährt ein kleiner Junge, etwa 3 jährig, mit einem Kinderelektromobil auf der Parkwiese umher. Der Vater ist sichtlich stolz über die fahrerischen Geschicke seines Nachwuchses. Doch wenn der Sohn zu nahe an den Liegestühlen vorbei fährt, greift er über die Fernsteuerung ein. Dies nicht zur Freude von „ jung Alonso“, denn der mag es nicht leiden - er äussert dies mit einem Schreikrampf. Nur noch tröstende Worte und Streicheleinheiten der Mutter mögen seinen Unmut mildern... 

Ein Wolkenbruch mit Donnerwetter beendet die Gemütlichkeit abrupt – fluchtartig verlassen wir unsere Stühle und suchen in der nahen Fussgängerzone Unterschlupf in einem Café. Cappuccino trinken und Sudoku lösen – eine halbe Ewigkeit dauert es, bis wir endlich trockenen Fusses zurück ins Hotel können. Dort begrüssen uns zwei junge, freundliche Rezeptionistinnen, die für einen Schwatz aufgelegt sind. Wir erfahren, dass beide ein Studium abgeschlossen haben. Eine ist Ärztin, die andere Journalistin und beide können ihren Beruf nicht ausüben. Wie sie erzählen, gehören beide der falschen Partei an, haben keine Beziehung zu Politikern und deshalb null Chance auf eine entsprechende Anstellung. Die Erstere lernt Deutsch und plant nach Deutschland auszureisen, so wie es ihre Tante – auch Ärztin – gemacht hat. Die Journalistin sagt, dass alle Zeitungen zensuriert seien, obwohl die regierende Partei dies verneine. 

Widerliche Bedingungen, wie entlang der Autobahn zu fahren und schliesslich zwischen Leskovac und Vranje, wo die Autobahn unterbrochen ist, die Strasse mit dem Nord- Südverkehr zu teilen und auch keine Unterkünfte, führen uns zum Entscheid, ein Auto zu mieten. Dadurch erreichen wir einen doppelten Zweck: Wir können die touristischen Highlights im Nationalpark „Tara Zlatibor“ an der Grenze zu Bosnien Herzegowina besichtigen und zudem müssen wir nicht die mühsame Strecke bis zur Grenze nach Mazedonien bewältigen.


Aleksinac - Nis      27.07.2019       34.48 km        ↑148 m        ↓110 m

Route: Aleksinac, Marovac, Tesica, Niš 

 

Auch heute fahren wir wieder entlang des Eurovelo 11, der liegt jedoch auf diesem Abschnitt weiter entfernt der Autobahn, die nach Saloniki führt. Dennoch stellen wir fest, dass einige Autofahrer, vor allem solche mit CH Nummernschildern, es vorziehen über Landstrassen zu fahren. Ob die vielleicht ihre Ferien im Heimatland verbringen? 

Eine kürzere Distanz reist bestimmt der alte Bauer und seine Frau, die mit einem kleinen Aebi und einem selbstgebasteltem Anhänger unterwegs sind. Ich fahre einige Zeit hinter ihnen her. Die Frau winkt mir zu und ich ihr zurück. Dann beginnt sie in einem Sack zu wühlen und nimmt immer wieder Augenkontakt mit mir auf. Sie gibt mir das Zeichen: Fahre neben dem Wagen her. Dann streckt sie mir vom fahrenden Wagen herab ein Sack mit Zwetschen und Pflaumen entgegen. Ich nehme ihn entgegen und bedanke mich. Wir suchen den Schatten unter einem Baum und beissen herzhaft in die süssen Früchte. Mmm, köstlich! Eine andere alte Frau erblickt uns. Sie kommt auf uns zu und beginnt zu erzählen. Leider können wir nur Bruchstücke verstehen. Sie will uns zu einem Kaffee einladen, doch wir winken ab und fahren weiter, denn wir wollen vor der grossen Nachmittagshitze in Niš sein.


Jagodina - Aleksinac      26.07.2019       69.8 km        ↑455 m        ↓398 m

Route: Jagodina, Opstina, Paracin, Jasenje, Aleksinac

 

Wir fahren am 9:00 Uhr los. Es ist angenehm kühl. Aber für den Nachmittag sind gefühlte 38 Grad vorausgesagt. Uns steht eine lange Etappe bevor und die meiste Zeit folgt sie entlang der Hauptstrasse, die teilweise dicht neben der Autobahn A1 liegt. Eurovelo 11, das ruppige Beast zeigt sich von der unangenehmen Seite! 

An einer Tankstelle decken wir uns mit zusätzlichem Wasser ein. Die Tankwartin offeriert uns einen Stuhl im Schatten, bringt Trinkbecher und offeriert uns ihr WLAN. Die Gastfreundschaft beeindruckt uns immer wieder.

Jedoch erscheinen uns die Strassenschilder manchmal kryptisch. Gut, hat Martin die Tracks auf das GPS geladen! In Aleksinac logieren wir im Hotel Istanbul, das direkt neben der Autobahn liegt. Wir haben den Eindruck, dass hier vor allem Türken, die auf der Hin- oder Rückreise in ihre Heimat übernachten. Die Kinder sprechen untereinander oft deutsch. Wir stellen einen Bezug zu Kreuzberg, Berlin, her und auch auf das, was uns erwartet, wenn wir in der Türkei unterwegs sind. 

 


Ein „velofreier“ Tag in Jagodina      25.07.2019

Heute brauchen wir einen Ruhetag. Dies auch, da wir die nächsten Etappen planen müssen. Wir sind uns noch nicht im Klaren, wie wir die Berge im Süden nach Nordmazedonien bewältigen, da es über die ganze Strecke keine Unterkünfte gibt und wir über 1‘600 m ansteigen müssen. Wir kommen nicht viel weiter und beschliessen, in dem nahen Stadtpark zu spazieren, wo wir mit Blick auf die grosszügigen Wasserspiele Kaffee im Schatten trinken, so wie viele Einheimische auch tun. Den Stadtbummel lassen wir bleiben, es ist zu heiss. Wir entdecken ein Schild: „Camping 400 m“. Wir wandern die steile Strasse hinauf zum Hügel über der Stadt, wo wir den kleinen, gepflegten Camping Platz vorfinden. Die Portierin begrüsst uns auf Serbisch und will uns gleich eine Hütte zuweisen. Wir lehnen ab, denn wir wollen nur eine Liste aller Campingplätze, was uns schliesslich mit dem Google-Übersetzer gelingt. 


Svilanjnac - Jagodina      24.07.2019       41.6 km        ↑415 m        ↓402 m

Route: Svilanjnac, Glozane, Vojska, Bagardan, Voljavce, Jagodina

  

Das erste Stück fahren wir auf der rechten Seite der Morava parallel zum Eurovelo 11, der die meiste Zeit entlang der Autobahn A1 führt. Wir ziehen es vor durchs Hinterland zu fahren. Weg von der grossen Strasse ist man schnell in ruhigen ländlichen Gefilden mit Hügeln. Nach ein paar Kilometern südlich von Svilanjnac liegen gewaltig grosse Metallrohre von 1,3 m Durchmesser und einer Wanddicke von 1,3 cm, die darauf warten in den Boden versenkt zu werden. Zu unserem Erstaunen sind die Rohre nach Euronorm zertifiziert und offensichtlich für den Bau der South Stream Gaspipeline bestimmt. Nachdem Putin diese Umgehung der Ukraine für uns Europäer gefördert hat, vermuten wir auf den Röhren eher kyrillische Buchstaben, statt eines Zertifikats nach einer Euronorm in lateinischer Schrift.

Danach fahren wir über schmale, intakte Strässchen durch kleine schmucke Dörfchen, die abwechselnd mit kleinräumigen Landwirtschaftsbetrieben die liebliche Gegend prägen. Unsere Vorsichtsmassnahme bei der Abfahrt 6 Liter Wasser mitzunehmen, wäre nicht nötig gewesen, denn in jedem Weiler, den wir durchqueren, gibt es ein Lädeli. Allerdings sind wir beim Bestellen gefordert, denn hier wird nur serbisch gesprochen. Dank sei dem Google Übersetzer, der vermittelt in solchen Situationen!

Nebst der wunderbaren Landschaft ist eine enge, baufällige, etwa 400 m lange Brücke über die Movara ein Highlight. Mut, die Brücke zu passieren gibt uns eine alte Frau, die soeben auf unserer Seite mit dem Velo angekommen ist. Sie redet, gestikuliert und wir verstehen rein gar nichts. So steigen wir ab und schieben unsere Räder über die wackeligen Balken - einige davon sind gebrochen. Bei der Auffahrt zur Rampe am Ende kreuzen wir einen Kleinwagen, der zielstrebig dieselbe Brücke überquert. 

Kurz darauf stossen wir wieder auf den Eurovelo 11, der stark befahren ist uns aber direkt nach Jagodina führt, wo wir zwei Tag bleiben. 


Smederevska Palanka - Svilanjnac      23.07.2019       41 km        ↑320 m        ↓244 m

Route: Smederevska Palanka, Velika Plana, Markovac, Svilanjnac

 

Wir verabschieden uns von der Hoteliersfrau aus Münchenbuchsee und fahren dann entlang der Fussgängerzone. Nach ein paar hundert Meter biegen wir auf den Eurovelo 11 „The beast of the east“ ein. Was für Überraschungen hält wohl diese Veloroute für uns bereit? Ein Beast ist doch nicht besonders liebenswürdig! Die erste Herausforderung lässt nicht lange auf sich warten. Die Strasse ist gesperrt und ein Durchkommen ist unmöglich. Uns bleibt nichts anderes übrig, als nach einer alternativen Route zu suchen. Aber bei so einem weitauseinanderliegenden Strassennetz ist das leichter gesagt als getan. Schliesslich entdecken wir auf dem GPS eine gestrichelte Line, die über mehrere Abzweigungen auch nach Velika Plana führt. Gestrichelte Linien haben es in sich: enden manchmal im Nirwana oder sind nur mit schieben passierbar. An bellenden Hunden vorbei - die meisten waren zu unserer Beruhigung angebunden - gelangen wir auf die ausgewählte Route. Der gestrichelte Fahrweg ist dank EU-Geldern zu einer neuen Strasse mutiert. Wir schätzen das reibungslose Vorwärtskommen auf dem feinen Strassenbelag, der sogar unsere Reifen ein wenig surren lässt. Irgendwann muss das EU-Geld ausgegangen sein – ohne Vorankündigung befinden wir uns plötzlich auf einer Holperpiste, die uns über mehrere Kilometer ins nächste Dorf führt. Wir fahren/schieben an mit Schmutzwasser gefüllten Löchern vorbei. Plötzlich höre ich Martin lauthals schimpfen. Er ist ausgerutscht, gottlob auf die Seite der Brennnesseln und nicht in die „Glungge“.

Weiter überqueren wir den Fluss Morava, dem wir in den nächsten Tagen folgen werden. Der Fluss ist etwa so gross wie die Saane und das braune Wasser lädt nicht gerade zum Baden ein.

Svilanjnac, unser Tagesziel, das sich aus Distanzgründen aufdrängt, ist ein Städtchen in der Pampa mit viel Staub, Schlaglöchern und rund herum betreiben sie Landwirtschaft – und WIE: überall Täfeli von Agrochemiekonzernen am Ende von „sauberen“, unkrautfreien Feldern (v.a. Mais). Dazu passt, dass über unserem Hotel öfters Sprühflugzeuge vorbeifliegen, die wahrscheinlich neu mit feinen Säften auf dem nahen Flugplatz beladen werden. Nun freuen wir uns auf den Znacht – vielleicht mit BIO-food?


Smederevo – Smederevska Palanka      22.07.2019       39 km        ↑129 m        ↓100 m

Route: Smederevo, Mihajlovac entlang der Strasse 109b nach Smederevska Palanka

 

Wir ärgern uns über das Schweizer Salt-Abo, dessen mickriges Roaming-Paket "sackteuer" ist. Der Zugang zum Internet unterwegs ist für die Suche von Unterkünften wichtig. Neben dem Kaffee, in welchem wir frühstücken, erblicken wir den Handyladen VIP. Wir gehen stracks hinein und kurz später sind wir glückliche Besitzer einer Simkarte für Serbien mit 12 GBytes für 3 – in Worten: “drei“ Franken. Die Serben sparen sich die mühsame Registrierung und den Pin-Code brauchen sie auch nicht  – wofür auch?
Eine ältere Dame hat offensichtlich gehört, dass wir Deutsch sprechen. Sie kommt zu uns und will uns zum Kaffee einladen. Dann beginnt sie in sehr gutem Deutsch zu erzählen, dass sie in Österreich, Deutschland und auch in der Schweiz gearbeitet hat. Als sie das Pensionsalter erreichte, ist sie zurück nach Serbien gezogen. Sie sagt, dass sie sehr gut von der Rente leben könne – etwa 1000 Euro (im Gegensatz dazu erhalten Rentner in Serbien 100 Fr. im Monat). Aber trotzdem sei es ein Fehler gewesen zurückzukehren. Sie fühle sich hier nicht mehr zu Hause – sie lebe zwischen zwei Welten. 

Das Hinausfahren aus der Stadt ist mühsam – wir teilen die Strasse über ca. 10 km mit Pkws und Kraftfahrzeugen. Obwohl die grossen Brummer uns mit viel Abstand überholen, ängstigen sie uns. Wir sind glücklich, als bei der Autobahnauffahrt der motorisierte Verkehr abnimmt. Die Bauern mit ihren in die Jahre gekommen Traktoren oder Pferdewagen gefallen uns bedeutend besser.  

Auch hier in Smed. Palanka suchen wir die Hausnummer der Unterkunft vergebens –wenigstens ist die Strasse mit einem Strassenschild versehen. Eine freundliche Frau hilft uns, das Hotel zu finden. Zu unserem grossen Erstaunen werden wir in Berndeutsch willkommen geheissen. Eine Familie aus Münchenbuchsee – Mutter und Sohn – führen das Hotel in Abwesenheit. Die Mutter ist pensioniert und jettet zwischen  Bern und Smed. Palanka hin und her. Sie fuchst uns ein, was wir tun und lassen sollen. So z.B., dass wir unsere Räder immer anbinden müssen und das Gepäck nie aus den Augen lassen dürfen.  An die grauen Zeiten erinnert sie uns, dass sie der Polizei Auskunft geben muss, wo wir bis anhin übernachteten, über welche Grenze wir einreisten u.s.w.

Na ja, nach den letztjährigen positiven Erfahrungen im Balkan kommt uns das ziemlich fremd vor…

Wir freuen uns über das helle, chic eingerichtete Zimmer mit grossem Balkon und Sicht über das Moravatal. 

Sicht vom Hotel Balkon in Smed. Palanka
Sicht vom Hotel Balkon in Smed. Palanka

Belgrad - Smederevo        20.07.2019       70 km        ↑69 m        ↓99 m

Route: Belgrad, Pantschowa, Kubin bis Smederevo

 Wir verlassen Beldgrad in östlicher Richtung. Beim Parlament, etwa 500 m vom Hotel entfernt, biegen wir auf den Euroveloweg 6 ab. Dieser führt über die einzige Brücke in Belgrad, die den südlichen mit dem nördlichen Teil Serbiens verbindet. Nach der Brücke zweigt der Veloweg ab. Ein Warnschild zu Beginn weist darauf hin, dass die Route über Naturstrassen führt. Wir freuen uns darüber, obwohl wir Schweizer die Serben/ -innen bis anhin als rücksichtsvolle Autofahrer/innen wahrnehmen. Der Strassenverkehr verläuft hier sehr ruhig und zu unserem Erstaunen gibt es kaum SUVs. Der Euroveloweg 6 entlang der Donau führt grösstenteils über Wiesenwege abwechselnd mit schmalen sandigen Fahrrinnen. Das Vorwärtskommen ist äusserst anstrengend – die noch zu fahrenden Kilometer schmelzen langsamer dahin als der Greyerzerkäse in unserer Velotasche. 

Unser Ziel, Smederevo, erreichen wir verschwitzt und todmüde erst gegen Abend und nicht schon am frühen Nachmittag. Eine Odyssee beginnt: die Strassennamen und Hausnummern fehlen – dem sind wir schon in Montenegro begegnet. Zudem hat Booking.com die falschen Koordinaten veröffentlicht. Glücklicherweise ist das ganze Städtchen auf den Beinen – ein Kinderfest ist im Gang. Wir sprechen einen Mann an und fragen ihn, ob er Englisch spreche. Nein, er spreche Deutsch und sei Serbe. Er verbringe hier, in seiner Heimat die Ferien mit seiner Familie. Dann hilft er uns bei der Suche nach dem Appartement, was über eine Stunde in Anspruch nimmt. Gegen 20:00 Uhr beziehen wir unser fensterloses Zimmer. Dass wir keine Aussicht haben, stört nicht, denn nach einer wohltuenden Dusche fallen wir in einen erholsamen Tiefschlaf.

Eurovelo 6 entlang der Donau
Eurovelo 6 entlang der Donau

zweiter Tag: Rückblende auf Titos Wirken und den Kommunismus 21.07.2019

Den Vormittag verbringen wir mit Blog einrichten, Routenplanung, Velos für die Reise fertig anpassen und der Suche nach einem Adapter für Eurosteckdosen. 

Am Nachmittag wird’s spannender. Wir treffen Viktor, einen Historiker, der uns die jüngere Jugoslawische Geschichte, das Leben und Wirken Titos und die Architektur dieser Zeit näher bringt. Während drei Stunden gelingt es Viktor, uns mit spannenden Geschichten und Anekdoten über Tito zu fesseln. Er zeigt uns einige Gebäude aus der Zeit des Sozialismus, bei denen die Spuren des Alters deutlich ersichtlich sind. Beim Haus der Gewerkschaft kommt Martin das Volkshaus in Biel im ähnlichen Stil in den Sinn, das allerdings besser erhalten ist. Mit dem Trolleybus fahren wir zum Tito Museum. Der interessanteste Teil des Museums ist das Archiv, in dem alle Geschenke, die Tito während seinen über Hundert Auslandsreisen gezeigt werden. Uns ist neu, dass es Tito während des Kalten Krieges verstanden hat, Freundschaften mit allen Ländern der beiden Blöcke zu pflegen. Damit hat er Jugoslawien weiter gebracht, weil er durch seine Beziehungen Geld von allen Seiten wie den USA und Russland erhalten hat. Das Regieren des Landes hatte für Tito anscheinend keine Priorität. Unter anderem hatte er kuriose Ideen für die Selbstverwaltung von Fabriken, die nicht praktikabel waren. Z.B. genehmigten sich die Arbeiter Lohnerhöhungen bis zu 2‘000 Euro. Nicht thematisiert hat Viktor die Fähigkeit von Tito, die verschiedenen Ethnien über lange Zeit zusammen zu halten.

Obwohl Tito schon längere Zeit krank war, hat die Verkündigung seines Todes die Menschen schockiert. An seinem Begräbnis im Jahre 1980 nahmen hochrangige Vertreter aus 127 Ländern teil. 


erster Tag:     Stadtbesichtigung Belgrad          19.07.2019

Mit Stadtplan und Kamera bewaffnet machen wir uns auf die Suche nach der Tourist Information. Um die Ecke sollte der gesuchte Ort sein, jedenfalls laut Stadtplan. Dass wir das Büro nicht finden, liegt wohl nicht an der kyrillischen Schrift sondern viel mehr daran, dass die halbe Stadt mit Tief- und Hochbau Projekten umgewühlt wird. Bauten aus der kommunistischen Zeit neben alten historischen Häusern im Baustil, z.T. aus der Kaiser- Königlichen Zeit, geben der Stadt einen besonderen Charme. 

Wir besteigen einen Hop-on-Bus und lassen uns durch die Stadt fahren. Über Minikopfhörer vernehmen wir wissenswertes über die „Weisse Stadt“. Nur schade, dass die Örtlichkeiten nicht mit den Infos übereinstimmen.

Anders erleben wir das Tesla Museum . Die Stromstösse aus den Transformern holen uns auf das „Ist und Jetzt“ zurück. 

Die Orthodoxe Sankt Markus - Kathedrale wird bald vollständig renoviert sein. Es fehlen nur noch vier je 15qm grosse Mosaik Bilder, die bald vollendet sind. Kniend am Boden setzt die Bildhauerin voller Hingabe Steinchen um Steinchen an den vorbestimmten Ort. Ihr kleiner Sohn gibt sich mehr weltlichem Verlangen hin – er spielt auf dem Handy irgendwelche Spiele.

Durch die belebte Fussgänger Zone mit auch uns bekannten Modehäusern und einen wunderschönen Park gelangen wir zur Festung. Auf dem Hügel angekommen, geniessen wir eine fantastische Aussicht über die Mündung der Save in die Donau. 


Bremgarten - Belgrad        18.07.2019       960 km        ↑10‘000 m        ↓10‘000 m

Route: Bern, Zürich-Flughafen, Tesla Aeroport Belgrad, Belgrad 


Heute starten wir die zweite Etappe unserer Reise nach Xian. Ursprünglich planten wir dort zu starten, wo wir aufhörten - in Athen. Uns faszinierten bei der letzten Tour die Balkanländer. Dies ist neben der sommerlichen Hitze in Athen, einer „velounfreundlichen“ Ausfahrt aus der 11 Millionen Stadt und ein Interesse an den Ländern Serbien und Nord-Mazedonien ein Grund, weshalb wir die zweite Etappe in Belgrad beginnen. 

Das Drum und Dran mit der Veloaufgabe für den Flug braucht Zeit und strapaziert die Nerven. Wir befinden uns 2 ½ Stunden vor dem Boarding in der Abflughalle. Diese Zeit benötigen wir um die Transportschachtel inkl. Klebeband zu organisieren. Hinzu kommt: den Lenker parallel zur Oberrohrstange stellen, Pedalen entfernen, den Luftdruck der Reifen reduzieren. Martin hat vorsorglicher Weise schon Zuhause die Schrauben der Teile gelockert, damit wir sie dann sicher lösen können. Das lohnte sich, denn eine verklemmte Schraube hätte unseren Adrenalinspiegel im doppelten Sinne in schwindelerregende Höhe schnellen lassen! Wir schaffen es! 15 Minuten vor dem Boarding schieben wir die Schachteln samt Reisegepäck an den Schalter. Ein freundlicher, hilfsbereiter Herr …vić nimmt unsere Habe entgegen und lässt sie durch eine Tür verschwinden. Was für eine Erleichterung! Sommerzeit-Ferienzeit - die A320 ist voll besetzt mit Ferien-Heimkehrenden, die am Flughaben Tesla von ihren Serbischen Angehörigen erwartet werden. Am Ziel setzen wir unsere Fahrräder zusammen - in aller Ruhe. Gemütlich, zuerst entlang einer Hauptstrasse, dann über Feldwege bis an den Stadtrand und schliesslich über einen Radweg, der durch wunderschöne Parkanlagen führt, pedalen wir Belgrad zu. Unser Hotel liegt in der Fussgängerzone, somit ein idealer Ort für Stadterkundungen!