Teil 2 Georgien


Endspurt in Tiflis 05.10.2019

Heute stehen wir vor einer weiteren Herausforderung: Wir brauchen zwei mittelgrosse Kartonschachteln, um unsere Velotaschen aufzugeben. Die Georgische Post verkauft Kartonschachteln, aber dazu müssen wir durch die ganze Stadt fahren, und das scheint uns zu mühsam. Daher fragen wir zuerst im Hotel danach. Nein, die haben keine Schachteln und sie wissen auch nicht, wo wir welche bekommen. Bevor wir mit dem Taxi zur georgischen Post fahren, klopfen wir diverse Geschäfte ab: Apotheken, eine Weinhandlung, Lebensmittelgeschäfte und schliesslich den Carrefour. Kein Geschäft scheint Kartonschachteln zu haben und wenn, dann nur kleine. Obwohl der Carrefour uns nicht weiterhelfen kann, erfreut uns, dass sie alle Schachteln zurück an den Lieferanten geben, der sie mehrmals benutzt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als doch noch mit dem Taxi zur Post zu fahren. Die Zeit drängt, denn sie schliesst in einer Stunde. Und siehe da, im und um einen Kehrrichtcontainer auf der gegenüberliegenden Strassenseite sichten wir zwei mittelgrosse Schachteln – saubere und genau in der zulässigen Grösse. Wieder mal Glück gehabt! Erleichtert tragen wir diese ins Hotel und verpacken unsere Habe - ausser das Handgepäck. 

Die Organisation der Schachteln, das Verpacken der Räder und die Suche des Klebbandes beanspruchten beinahe zwei Tage. Irgendwie scheint das Leben hier langsamer abzulaufen!

In Tiflis ist dieses Wochenende die ganze Stadt auf den Beinen – es ist Stadtfest. Auch wir finden Zeit, um uns unter die Menge – mehrheitlich Einheimische zu mischen. Kunsthandwerk, Leckereien, Gewürze, Früchte, Gemüse, Wein, Käse… kurz, alles was in Georgien produziert wird, kann gekauft werden. Musikgruppen spielen auf engstem Raum um die Wette und als der orthodoxe Gottesdienst noch über Lautsprecher übertragen wird, ist die Kakophonie vollkommen. Und trotzdem war es schön und bereichernd, in das Leben der Hiesigen zu sehen. 

Mit unseren Blogeinträgen beschreiben wir die Erfahrungen, den Spass, die Angst vor den Hunden und vor allem, die unvergesslichen Erlebnisse und Begegnungen mit liebenswürdigen Menschen. Im Weiteren empfinden wir das Schreiben eine gute Art, um Erlebnisse zu verarbeiten und bewusst zu reflektieren. 

Auch wenn wir am Abend manchmal müde waren, haben wir dies im Wissen darum überwunden, dass wir Leserinnen und Leser haben. Auch eure Rückmeldungen motivierten uns, weiterzuschreiben. Dafür danken wir herzlich. 

Wie geht es weiter? Morgen fliegen wir nach Wien, wo wir ein paar Tage bleiben, bevor wir entlang der Donau Richtung Schweiz fahren. 


Geführte Wanderung durch die Altstadt von Tiflis     04.10.19

Im Tripadvisor lesen wir von der “Free Walking Tour” durch Tiflis. Sie wird wärmstens empfohlen. Also machen wir auf zum Treffpunkt am Freiheitsplatz. Die Statue in der Platzmitte zeigt St. Georg, wie er einen Drachen tötet. Vor der Rosenrevolution 1991 nahm Lenin diesen Platz ein. Es ist kurz vor zwölf Uhr. Eine kleine Gruppe wartet schon vor dem städtischen Tourismushäuschen. Punkt zwölf kommt eine junge Frau daher, die sich als Ekatharina vorstellt. Kurz: „Eka“. Sie legt kurz dar, welche Orte wir in der Altstadt besuchen werden. Den Ersten stehen wir schon; die Freiheitsstatue. Lebendig und spannend erzählt sie die Geschichte Georgiens von der Antike bis heute. Auf die zweimalige Besatzung der Russen von 1801-1917 und 1921-1991 geht sie vertieft ein und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass es kein drittes Mal gebe. Wie vielen jungen Leuten, schwebt auch ihr ein EU und Nato Beitritt vor. 

In der einzigen Karawanserei, die in Tiflis noch steht, vernehmen wir, dass es vor der Sowjetzeit noch zwanzig solche gab; sie wurden abgerissen, weil sie Neubauten weichen mussten. Tiflis, am Fluss Kura und zwischen dem Schwarzen- und Kaspischen Meer, war Jahrhunderte lang ein zentraler Ort an der Handelsroute, wo sich die Heer- und Seidenstrassen kreuzten. 

Eka erzählt, dass die Karawansereien nicht nur von den Karawanen, sondern auch von den Stadtbewohnern, reich oder arm, besucht wurden. Bemerkenswert war aber, dass alle Menschen die Karawansereien reich verliessen: Die einen durch guten Handel, die anderen wegen Inspirationen und Neuigkeiten. 

Einer schönen Legende nach kam Tiflis zu seinem Namen, weil König Wachtang Gorgassali im fünften Jahrhundert auf dem heutigen Stadtgebiet, damals noch Wald, mit seinen zwei Falken auf der Jagd war. Die zwei Vögel rissen sich los und begannen in der Luft zu kämpfen, sie rupften sich die Federn aus und fielen tot in den Wald. Der König suchte und fand sie in einer dampfenden Quelle, die nach Schwefel roch. Einige erzählen, dass das Quellwasser die Vögel zu neuem Leben erweckte und andere, dass der König Wachtang am Abend damit ein königliches Mal genoss. Darauf erteilte der König mit der linken Hand den Befehl, die Stadt an diesem Ort zu bauen. Auf einer Statue am Nordufer des Flusses Kura ist der Moment in Bronze festgehalten.

Auch besonders sehenswert sind die Altstadthäuser mit ihren Balkonen. Die dienten nicht nur der Schattenspendung in der heissen Jahreszeit, sondern waren auch ein Ort des Austauschens, denn die Balkone verbinden alle Wohnungen im selben Haus und diese sind oft mit Brücken zum Nachbarhaus verbunden. Schon am Vormittag stellten sich die Menschen gemütlich zum Tratsch ein, mit Kaffee, Wein oder Tschatscha. Eka stellt die Balkone als frühe Form von Facebook dar.

Diese Stadtführung war wirklich ein Volltreffer! 

Ja, und am späten Nachmittag machen wir uns nochmals auf die Suche nach breiten Klebstreifen. Sie sind in keinem Warenhaus und in keinem „Handwerkerlädeli“ zu finden. Aber es gibt sie. Mache Autos liefern den Beweis dafür. Stossstangen, Lampen, Scheiben, Kotflügelteile und… sind damit befestigt. 

Martin sucht hartnäckig im Internet, ruft vermeintliche „Lädeli“ an und wird schliesslich in einem entfernten Stadtteil fündig. Mit der U-Bahn fahren wir die ca. 8 km weit zu einem Büroladen. Die ewig langen Rolltreppen zu den im hügeligen Gelände tief liegenden Geleisen und der im Sowjetstil gebaute Bahnhof bleiben in Erinnerung. Die Bahn wird fleissig benutzt. In der kleinen Papeterie angekommen finden wir das Gesuchte in einem Glaskästchen unter der Theke liegen. Offenbar ist dieser Artikel hier sehr wertvoll, denn er kann nicht einfach aus dem Gestell genommen werden, er muss über die Verkäuferin bezogen werden. 


Besichtigung Tiflis                 03.10.2019

Wir brauchen etwas Bewegung und machen uns auf, den Burghügel südlich der Altstadt zu besteigen. Der Spaziergang ist voller Überraschungen. Wir finden einen Weg durch unverdorbene alte enge Gassen bis zum Fuss des Bergs, auf welchem die Statue Kartlis Deda (Mutter Georgiens) emporragt. Oft hört man Hämmern und sieht auch, wie die Altstadthäuser sanft renoviert werden. Ein Indiz, dass hier in Wohnqualität investiert wird, ist, dass teure SUVs die engen Gassen verstopfen. Dann steigen wir ein paar hundert Treppenstufen zum Aussichtspunkt hinauf. Oben angelangt, geniessen wir eine prächtige Rundsicht auf die Stadt und versuchen, verschiedene auffällige Merkmale ausfindig zu machen – u.a. die Konzerthalle und den Präsidentenpalast. Wir versuchen mithilfe des Google, den Präsidenten ausfindig zu machen und landen dabei auch beim früheren Präsidenten Iwanischwili, über den das deutsche Fernsehen MDR vor längerer Zeit eine Reportage über dessen protzige Villa über der Altstadt ausstrahlte. Wir machen uns auf die Suche, zuerst am Berghang und finden nichts. Dass auf dem kleinen Parkplatz auf dem Bergrücken ein Polizeiauto mit mehreren Polizisten steht, weckt vorerst noch keinen Verdacht. Wir finden unterhalb des Bergrückens den botanischen Garten, eingebettet im engen Tal. Eine Treppe führt hinunter, aber der Zugang ist praktisch verschlossen und eine Hinweistafel verbietet den Durchgang. Wir zwängen uns durch einen Spalt und folgen der Treppe, auf der wir trotz kleinen Schäden sicher hinunter zum botanischen Garten gelangen. Nach der ersten Biegung erblicken wir oben am Berghang ein UFO-ähnliches Gebäude – voilà wir haben’s gefunden. Unten im Tal weist uns ein Wegweiser zur Quelle des Flüsschens, welchem wir folgen, ein total romantischer Weg, der uns gehört – meinen wir. Margrit ruft: " Ich mach noch ein paar Föteli." Dann steigt sie durch die Büsche den Hang hinauf, während ich unten auf dem Gehweg warte. Kurz darauf kommt ein schwarz angezogener kräftiger Mann mit Funkgerät auf mich zu. Ich bleibe ruhig. Er ruft was auf Georgisch, was ich als Missfallen über Margrits Fotoreportage interpretiere und rufe sie zurück. Als der Wächter Margrit herunterkommen sieht, verzieht er sich. Später entdecken wir verschiedene Videokameras im Garten - ja sogar an einer lauschigen Ecke, in der viele junge Paare die Ruhe vor dem Stadtlärm suchen. Weshalb die Benutzung des Treppenzugangs verboten ist, könnte daran hängen, dass der Weg zu nahe an der Villa vorbeiführt und die Spaziergänger die Ruhe der Bewohner der Villa stören könnten. Mit einem Umweg über die Burg begeben wir uns zum Hotel, nicht ohne noch ein Baklava und einen Espresso in einem Kaffee zu geniessen.

Ein kleine Begebenheit, die an Telekommunikation interessierte LeserInnen gerichtet ist: Beim Aufräumen haben wir vier nicht mehr benötigte Simkarten weggeschmissen. Es scheint, dass in den weniger entwickelten Ländern einmal verwendete Telefonnummern kurz später wieder benutzt werden. Dies haben wir festgestellt, weil wir während der Zeit unserer Reise zwei Anrufe von unbekannten Leuten z.B. der Arzt, der einen neuen Termin abmachen wollte erhielten.


Tagesausflug in den Grossen Kaukasus          02.10.2019

Das Programm des Touranbieters verspricht viel: Zhinvali Lake; Ananuri Fortress; Black and white Rivers of Aragvi; Gudauri Mountains; Friendship Monument; kazbegi; Gergeti Church.

Um die Sehenswürdigkeiten zu erreichen, fahren wir mit dem Kleinbus alles entlang der georgischen Heerstraße, die von Georgien nach Russland führt. Die Heerstrasse folgt einer Route, die von Soldaten und Händlern seit Jahrtausenden benutzt wurde. Unzählige Lastwagen mit georgischen-, türkischen- und armenischen Kennzeichen befahren die Gebirgsstrasse, die die wichtigste Landverbindung von Russland über den grossen Kaukasus nach Süden ist. Im Winter ist sie geschlossen, ist der höchste Pass doch 2382 m hoch. In lawinengefährdeten Abschnitten sehen wir etliche baufällige Tunnels und Galerien. Die dunklen und engen Tunnels befahren sie nur, wenn nötig – wir auch nicht. Interessant ist, dass der Grenzverkehr trotz politischen und naturgegebenen Widrigkeiten so intensiv ist – führt die Strasse durch Länder, die wir nicht als gute Reisedestinationen vermuten, wie Tschetschenien und Nordossetien. Unser Reiseführer, Bako, erklärt uns, dass sich die Georgier und die Russen sehr gut verstehen und dass das die Unstimmigkeiten einzig politischer Natur wären. 

Der Zhinvalisee ist das Trinkwasserreservoir von Tiflis. Bako erwähnt, dass das Wasser, wie überall im wasserreichen Georgien, trinkbar sei.

Die Ananuri – Festung mit seinem Kloster ist deshalb interessant, da die Mönche hier die georgische Schrift zum „zweiten Reifegrad“ weiterentwickelten. Heute unterrichten sie in den Schulen neben der modernen Schrift auch dieses Alphabet. Die Festung hat seinen logischen strategischen Platz an der historischen Strasse im engen Tal.

Schon unterwegs zum Fusse des gewaltigen Berg Kasbek (georgisch: „Eisgipfel“) erblicken wir ihn ein paar Mal und sind beeindruckt. Mit seinen 5047 m ist es der dritthöchste Berg Georgiens und er grenzt an Nordossetien-Alanien (Russland). Nur wenig Eis bedeckt den kuppelförmigen Gipfel, der dem Mont-Blanc ähnelt – nur dass letzterer noch weisser ist. Wir schreiben dies den höheren Temperaturen zu. Wunderschöne Herbstfarben untermalen die bergige Landschaft.

In Gaudari, einem Touristenort, der uns auch wieder an die grosszügig ausgebauten Skizentren der französischen Alpen erinnert, machen wir einen Mittagshalt. Überall stehen Bagger und Kräne und Frischbetonlastwagen reihen sich in die Kolonne der normalen Brummis ein.

Der Höhepunkt der Reise ist die Gergeti-Kirche hoch in den wilden Bergen am Fusse des Bergs Kasbek. Sie wurde im 14ten Jahrhundert während 45 Jahren gebaut. Die lange Bauzeit ist dem zuzuschreiben, dass die Mönche die Steine über 8 km heranschleppen mussten. 

Wir sind erschöpft und glücklich nach dreistündiger Rückreise über die gefährliche und holperige Strasse in Tiflis einzutreffen. Zweimal waren wir bis anhin mit einem Auto unterwegs und bei beiden Fahrten ereignete sich kurz vor uns ein schwerer Verkehrsunfall. Die Fahrweise ist sehr hektisch und rüpelhaft; bei diesem Fahrverhalten wären wir als Selbstfahrer massiv überfordert. 


Velos verpacken                01.10.2019

Wir haben ca. 8 km ausserhalb des Zentrums einen Veloladen mit dem uns geläufigen Namen: „Veloplus“ ausfindig gemacht, der Kartonschachteln für den Flugtransport anbietet. Wir machen mit Lazlo um 11 ab und fahren durch das Verkehrsgewühl durch z.T. farbige Quartiere hin. Lazlo spricht gut Deutsch und nimmt unsere Räder entgegen. Er bietet uns einen Vollservice inklusive Demontage der Velos und Verpacken derselben an, und bittet uns, um fünf wieder zu kommen. Wir meinen, kurz ins Zentrum zurückzukehren, um noch ´was anzuschauen – denkste. Über eineinhalb Stunden dauerte die Rückfahrt mit Minibussen durch den stockenden Verkehr, so dass wir bald ein Taxi anheuern, um wieder rechtzeitig zum Veloladen zu kommen, um die verpackten Räder abzuholen. Lazlo und seine Mitarbeiter haben gute Arbeit geleistet und sie helfen uns, die schweren Kartons ins Taxi zu tragen. Glücklich haben wir diese Hürde geschafft und die Kartons stehen vorläufig zum leichten Missfallen des Rezeptionisten in der Hotelvorhalle. 


Stadtbesichtigungs- und Organisationstag in Tiflis   30.09.2019

Tiflis ist die Endstation der zweiten Etappe entlang der Seidenstrasse. Diese historische Strasse führte einst durch die Altstadt von Tbilissi, wie die Leute hier ihre Stadt nennen. Heute ist nichts mehr davon zu sehen. Die Karawansereien und Handelshäuser sind seit langem verschwunden, sie mussten Kaufhäusern und Souvenirgeschäften weichen. Tiflis hat etwas mehr als eine Million Einwohner und bietet kulturelle Sehenswürdigkeiten, schmackhaftes Essen, gastfreundliche Leute und ist vom Massentourismus noch nicht überschwemmt. 

Die meisten jungen Leute sprechen als Zweitsprache gut Englisch während die Älteren Russisch bevorzugen. Die Georgier selbst sehen sich als „Balkon Europas“; sie orientieren sich politisch wie auch kulturell an Europa - von den Russen distanzieren sie sich. Wir finden, dass sie vom Aussehen und der Art her uns Mitteleuropäern sehr ähnlich sind. 

Als erstes suchen wir heute Vormittag das Büro von Georgia-Airlines auf. Wir fliegen nach Wien, um von dort aus entlang der Donau Richtung Schweiz zu radeln. (Wir spüren „velofahrerischen“ Nachholbedarf!) Glück gehabt, wir ergattern die letzten Plätze für kommenden Sonntag.

Zu den Top-Sehenswürdigkeiten gehört das Bäderviertel Abanotubani. Wir wollen das nicht nur sehen, sondern selber erproben.
Nach dem heissen Schwefelbad – 46,9 Grad – dem Peeling mit einem kratzenden Handschuh und der Seifenmassage sind wir sehr entspannt und vor allem blitzblank ;-). Bei einer rassigen Suppe erholen wir uns von den Strapazen, jedenfalls fühlen wir uns fit genug, um die Feigenbaumschlucht samt Wasserfall aufzusuchen, die erst seit kurzem wieder zugänglich ist. Die Altstadthäuser mit ihren verzierten Holzbalkonen thronen wie Adlerhorste hoch über der Schlucht. Eine fremdartige Schönheit!


Gori – Tiflis ca. 45 km mit Velo und lange Fahrt mit dem Taxi      29.09.2019

Route: Gori, Metekhi bis Kaspi mit dem Velo; ab Kaspi mit Taxi nach Tiflis 

 

Wieder Velofahren auf Georgiens Nebenstrassen – das tut gut! Östlich des gestern erwähnten Gebirgszugs ist das Land wieder sehr trocken, wenn auch nicht so wie in Anatolien. Wir folgen auf einer schwach befahrenen, geteerten Nebenstrasse (eine Seltenheit!) dem Fluss Kura, der von der Türkei über Georgien ins Kaspische Meer fliesst. Statt einzelne verstreute Kleinbauernhöfe mit herumstreunenden einzelnen Kühen, Schafen oder Ziegen, finden wir nun ganze Herden mit Hirten und grössere bewirtschaftete Flächen im fruchtbaren flachen Flusstal. Die Hunde sind uns auch wohlgesinnt und wenn wir Hirtenhunden begegnen, sind die Hirten auch schon da und beruhigen diese. Auch sehen wir gelegentlich Bewässerungsanlagen. Im Norden erblicken wir die kahlen Vorberge des Kaukasus mit den nahen Hügeln von Südossetien, das tief nach Georgien hineingreift. Der kleine Kaukasus im Süden ist wolkenverhangen und wir sehen, wie sich Regengüsse auf die trockenen Hänge entladen. Es ist Sonntag und im Städtchen Metekhi gehen viele feierlich gekleidete Leute in der Kirche ein - und aus. Nach einem Kaffee suchen wir vergebens – also fahren wir gleich durch bis zum vermeintlichen Ziel, Kaspi. Auf der Suche nach dem gebuchten Hotel irren wir im Städtchen herum mithilfe eines freundlichen Motofahrers, bis wir vor dem vermeintlichen Ziel, einer schmucken Türe anhalten und uns beim Begleiter bedanken. Kurz darauf kommt uns ein freundlicher junger Mann entgegen und fragt, ob wir ihren Betrieb, die Weinkellerei Merebashvili's Marani, bei der Weinlese besuchen möchten. Eh wir’s versehen stehen wir im kleinen Weinberg, wo Freunde und Bekannte die Trauben – einheimische Sorten in Bio-Qualität – sorgfältig ernten. Anschliessend führt uns Lasha durch den Gärkeller, wo der frisch gepresste Traubensaft in eine eingegrabene Amphore geleitet wird. Während drei Monaten findet die Gärung statt. Danach wird die Maische mit einer Glasplatte, Lehm und Sand luftdicht abgedeckt. Um den Gärprozess zu stoppen wird wenig Schwefelsäure zugefügt und dann schliesslich in Flaschen abgefüllt. Es bleibt aber nicht nur beim Produktionsvorgang, wir kommen in der Degustierstube in den Genuss der edlen Tropfen. Von einer speziell raren Rebsorte wurden letztes Jahr gerade mal 55 Flaschen gekeltert. Auch von diesem durften wir degustieren. Wir sind keine Sommeliers und können deshalb keine treffende Beschreibung zu diesem wunderbaren Tropfen machen. Nur soviel: Wir erfreuen uns des Bouquets und des langanhaltenden Abgangs. Bei jeder neuen Sorte üben wir uns im Zuprosten "gulistvis". Dies ist immer verbunden mit guten Wünschen z.B. für eine unfallfreie Weiterfahrt, die Zukunft Georgiens, Gedenken an die Verstorbenen...

Die Rebbäuerin serviert uns frischen Käse, Brot, Trockenfrüchte, Trauben und Nüsse. Lasha erzählt uns über die Menschen in Georgien und ihre grosse Gastfreundschaft: Die Georgier sind religiös, was vermuten liesse, dass sie eher in sich gekehrt seien. Aber sie sind offen und interessieren sich für andere. Ein religiöser Brauch sagt: Wenn ein Gast kommt, soll er freundlich aufgenommen und bewirtet werden. Lasha und seine Freundin erzählen uns viel Wissenswertes über ihr Land: Gesichte, Bräuche, Religion, Politik und sogar über die Schweiz haben sie sehr gute Kenntnisse. Max Frisch gehört zu Lashas Lieblingsautoren. (Die Werke wurden in Georgisch übersetzt.)

Uns kommt es vor wie im Traum: die Gastfreundschaft, die guten Gespräche, excellenter Wein, schmackhaftes Essen und der prachtvolle Degustierraum. 

Lasha und seine Freundin erkundigen sich nach unseren Zielen und bestätigen nochmals, dass es in Kaspi wirklich kein einziges Hotel oder Gästehaus gibt. Booking.com hat uns also wieder mal an der Nase herumgeführt! (Hätte sie dies nicht, wären wir um ein ganz besonderes Erlebnis ärmer.) Lasha organisiert für uns ganz selbstverständlich einen Fahrer, der uns dann nach Tiflis fährt. Gepäck und Velos im Kofferraum verstaut, fahren wir spät am Nachmittag über die Autobahn nach Tiflis. Wir geniessen die Landschaft nochmals aus einer anderen Perspektive. Etwas bedauern wir, dass unsere Velotour so ein jähes Ende nimmt, wollten wir doch am Montag die letzte Strecke auf der gut geplanten Route abfahren. Weniger genussvoll ist die ca. einstündige Irrfahrt des ortsunkundigen Fahrers im Verkehrsgewühl von Tiflis beim Versuch, unser Hotel anzupeilen. Unglücklicherweise ignorierte er meine Anweisungen des Google-Navigators. Wir bitten ihn, uns in der Neustadt auszuladen, von wo wir unser Hotel mit den Velos nach zweieinhalb Kilometern finden. 


Weiterfahrt Kutaissi - Gori mit Klosterbesichtigungen     28.09.2019

Route: Hauptverbindungsstrasse von Kutaissi nach Tiflis 

 

Sintflutartige Regenfälle prasseln fast die ganze Nacht auf unser Hotel nieder und so auch auf das  Wellblechdach des Nachbarhauses. Ob wir wegen des Lärms oder der bevorstehenden Weiterreise nicht schlafen können, wissen wir nicht. Die Wetterprognosen für die kommenden zwei Tage sind düster. Die paar Hotelgäste, die mit uns das Frühstück einnehmen, bemitleiden uns. Sie wissen noch nicht, dass Georg, der Hotelier, uns nach Gori über die Berge fährt. Er will uns zwei weitere Klöster – eines aus dem 11 Jh. und das andere aus dem 9 Jh. – zeigen. Beide liegen an der alten Seidenstrasse - bald auch an der neuen. Gleich an mehreren Orten sehen wir gigantische Baustellen: Erde wird abgetragen, Felsen durchlöchert, Wald abgeholzt, Brücken gebaut – insgesamt riesige Erdverschiebungen. Unweit daneben stehen graue, eintönige Baracken. Beim genaueren Hinsehen, entdecken wir chinesische Schriftzeichen. Entsteht hier die neue Seidenstrasse, die China mit Europa verbindet? 

Wir teilen Georg unsere Vermutung mit. Er erzählt, dass es eine gute Sache sei. Das Projekt sei ausgeschrieben worden und die Chinesen hätten den Zuschlag erhalten. Für die Planungsarbeiten sei ein chinesisches Konsortium zuständig und für die Bauarbeiten werden Georgier angestellt. Bemerkenswert das Tempo des Mega-Bauprojekts: in zwei Jahren soll die Gebirgskette, die den europäischen Teil von Georgien von dem asiatischen Teil trennt, mit Kunstbauten fertiggestellt sein! Richtig gehört: „in zwei Jahren!“ Entsprechend unzimperlich müssten allfällige Einsprache – und Enteignungsverfahren ablaufen. Wir bleiben gleich beim Thema und Georg teilt uns en passant mit, dass auch das Grossprojekt im Wasserwerk von Kutaissi durch eine ausländische Firma, vorliegend eine Türkische, ausgeführt wird. Angesprochen auf die Zusammenarbeit meint er: „es muss gehen.“

Das Kloster Urbanisi aus dem 11. Jh. ist sehr gut erhalten. Beeindruckend sind die Fresken in der Kuppe. Auf dem freistehenden Turm neben dem Kloster lebten zwei Mönche, die gelobten, immer auf dem obersten Stock des Turmes zu leben. Die anderen Mönche sorgten mit Essen und Trinken für sie. 

Beim Eintreten ins Kloster Ubisa aus dem 9. Jh. nehmen wir unverzüglich Weihrauchduft wahr. Ein Pope mit Kerze in der Hand und ein Gebet murmelnd, Väter mit Kleinkindern und Mütter mit Bébés versammeln sich rund um den Taufstein. Dann schreitet der Pope mit dem Bébé und der Mutter zum Altar und schwenkt das Kind vor den drei Ikonen je einmal hoch. 

Beim Eintreten in die Kirche und vor den Heiligenbildern bekreuzigen sich die Gläubigen, so auch Georg. Die Gebete werden vor Maria oder Schutzheiligen gesprochen, die als Mittler zwischen Mensch und Gott dienen. An Feiertagen oder bei wichtigen Ereignissen werden kleine Kerzen entzündet. Wir als Besucher sind besonders von der Innigkeit berührt, wie die Gläubigen in ihren Gebeten verweilen. Auf dem Weg zum Restaurant entdecken wir die gut erhaltene Altstadt von Gori, in der eine wenig erinnernswerte Person ihre Jugend verbrachte: Der Massenmörder Stalin. Gerne verzichten wir auf den Besuch des Museums. 

Unsere freundliche Gastgeberin erzählt noch kurz aus ihrem Leben: Sie hat vor der Besetzung von Südossetien durch die Russen im Kaukasuskrieg 2008 als Zahnärztin in Zchinwali gearbeitet. In Georgien findet sie keinen Job, so dass sie nun das Hotel Continental aufbaute und seit diesem Jahr erfolgreich führt. Vom Einkommen ihres Mannes als Lehrer kann das Paar nicht leben.

 


Klosterbesichtigungen in Kutaissi    27.09.2019

Heute machen wir eine Exkursion mit dem Hotelbesitzer. Wir besuchen die berühmten Klöster von Gelati und Motsameta. Letzteres stammt vom sechsten Jahrhundert und das Erstere aus dem 11. Jahrhundert. Zum Abschluss besuchen wir die Bagrati-Kathedrale, die hoch über Kutaissi thront. Die ersten beiden Klöster sind ca. 7 km im Norden der Stadt in sehr wildem Gelände. Kein Wunder, denn die Bewohner mussten sich immer gegen Angreifer schützen. Typisch beim Kloster Motsameta, das hoch über einer Flussbiegung auf einer Felsnase steht und früher nur über eine Ziehbrücke erreicht werden konnte. Im Kloster Gelati kommen wir in einen unterwarteten Genuss: drei, offensichtlich Profimusiker, tragen zuerst in der Klosterkirche ein à cappella Lied vor, das vom Echo wunderbar getragen wird. Später geniessen wir im Klostergarten drei Lieder, das Erste und das Zweite mit Gitarrenbegleitung und das Letzte wieder ein mit gekonnten Dissonanzen gepfeffertes à cappella Lied

Wir erfahren im Gespräch mit unserem Fahrer viel Interessantes. Er hat mehrere Jobs: Hotelbesitzer- und Manager, leitender Angestellter im städtischen Wasserwerk, Kellermeister und gelegentlich Fremdenführer. Gleich zum Wasser: es läuft im Tag während drei Stunden und die Leute müssen es in einem Tank speichern. Die Stadt hat ein Grossprojekt um dies zu verbessern. Die Situation mit dem Tourismus verschlechterte sich, seit Putin die Flugverbindungen zu Russland sperrte. Nur langsam füllen die Chinesen die Lücke. Sonst hat er keinen Groll gegen den grossen Bruder im Norden, der dem Land zwei Provinzen entriss. Der Wein scheint das wichtigste Exportprodukt zu sein und den können sie seit ein paar Jahren wieder liefern. 

Den Stellenmarkt, findet er, sei nicht schlecht. Er ist der Auffassung, wenn jemand arbeiten wolle, finde er/sie eine Stelle. Nur wer einen höheren Lohn für weniger Arbeit anstrebe, wandere aus: so z.B. in die Türkei, nach Griechenland oder Italien. Mit der Verfügbarkeit von Erdgas (die South-Stream Pipeline lässt grüssen) können die Georgier nun billiger heizen, als mit Holz oder Strom. Die Röhren zur Verteilung des Erdgases führen meist unübersehbar auf 3 – 4 Meter Höhe entlang der Strassen. 

Als ein Auto der Forstpolizei vorbeifährt erklärt er, dass diese versucht, den wilden Holzschlag zu stoppen. Er sagt, dass nur die älteren Leute die Zeit der UDSSR zurücksehnen. Er selbst findet das Land gut und begrüsst auch das Steuersystem. Selbständig Erwerbende mit Angestellten müssen bei einem Einkommen von 100`000 Lari etwa 30`000 Franken 1 % Steuern bezahlen. Einkommen darüber 18%. Die Altersrenten seien noch sehr klein ca. 230 Fr. / Mt. Neuerdings gibt es aber Anstrengungen für eine Altersversicherung. Wir beobachten unseren Führer, wie er sich in den Klöstern vor den Ikonen immer wieder bekreuzigt und diese verküsst. Wir erfahren von ihm, dass über 80 % der Georgier praktizierende orthodoxe Christen sind und dass sie die Rituale, wie mehrere Fastenzeiten einhalten.


Samtredia – Kutaissi     26.09.2019       40 km      ↑166 m        ↓22 m

Route: Samtredia – Kutaissi

 

Der Himmel ist verhangen. In der Nacht regnete es. Die Regenkleidung verstauen wir zuoberst im Gepäck. Durch Nebensträsschen verlassen wir Samtredia. Wir sind frühzeitig unterwegs, so auch die kleinen Kinder, die von ihren Müttern in den Kindergarten gebracht werden. Je weiter wir das Städtchen zurücklassen, desto holpriger wird die Schotterstrasse. Zeitweise sind wir gefordert, am Rande der Pfützen das Gleichgewicht zu halten. Nichts desto trotz, die Landschaft ist idyllisch! 

Unterwegs bemerken wir, dass auf manch eingezäunten Land zwei Häuser stehen, ein kleines und ein grosses. Dienen die etwa dem gleichen Zweck, wie früher bei den Bernern das Stöckli? Unser auskunftsfreudiger Hotelier klärt uns anderntags auf. Im kleinen Haus, wo auch die Küche untergebracht ist, wohnen die Leute im Winter, weil es besser beheizbar ist. Das grosse Haus dient als Gästehaus und Schlafgemach. 

Uns scheint, dass auch in Georgien Frauen die landwirtschaftlichen Arbeiten verrichten: sie ackern, ernten, bringen sie ein, hüten die Tiere… So auch die Bäuerin, die mit einer quietschenden Karrette, die Maisstängel über die Wiese, wo wir picknicken, stösst. Sie kommt auf uns zu und deutet an, dass wir warten sollen. Kurz darauf kehrt sie mit einem Plastiksack voller süsser Trauben und zwei Khakifrüchten zurück, um gleich wieder zu verschwinden. Diesmal kommt sie mit einer Flasche Tschatscha - selbstgebranntem Schnaps - und Wasser daher. Der Gebrannte ist hochprozentig und auch für Velofahrer kein Durstlöscher. Wir husten mal tüchtig nach dem ersten Schluck. Die Herzlichkeit der Menschen beeindruckt uns.  


Khobi - Samtredia     25.09.2019       60 km      ↑154 m        ↓121 m

Route : Khobi, Senaki, bis Samtredia

 

Zweiter Tag Velofahren – das tut gut! Wieder ein ähnliches Bild wie gestern: überall Tiere auf - und neben den Strassen – oft auch nur Strässchen. Daneben die überall präsenten Wassergräben, worin sich die Schweine suhlen. Schön ist, dass die Gegend überall bewohnt ist. Einmal fahren wir ein Stück mit einem Vater, der sein Kind vom Kindergarten abgeholt hat. Das Kind sitzt auf dem Velorahmen. Als sich unsere Wege trennen, lädt er uns zu sich nachhause ein, was wir ausschlagen wegen der bevorstehenden Strecke. Die Leute winken uns oft zu. Um unser Ziel rechtzeitig zu erreichen, fahren wir vermehrt auf der B2 Fernstrasse, die zum Glück breit ist und nur wenig Verkehr aufweist. Das Hotel, das einzige im Dorf, einfach und sauber, finden wir beim zweiten Anlauf. Mit dem Essen wird’s schwieriger… Die Leute scheinen im Gegensatz zur Türkei oder Griechenland weniger auswärts zu essen. Der Tripadviser offenbart auch keine brauchbaren Tipps. Schliesslich landen wir beim Bahnhof, wo wir uns im einzigen Restaurant des Dorfes niederlassen. Sechs Frauen und drei Männer sitzen auf Stühlen und warten plaudernd auf Gäste – aber nicht so fremdartige wie wir. Sie sind perplex und irgendwie hilflos. Schliesslich gelingt es uns, Salat, Suppe und Pommes zu bestellen. Tomaten- Gurken- und Zwiebelsalat werden direkt aus den Gemüsekistchen zubereitet und schmecken herrlich. So auch die Pommes, die fettige Straussensuppe mit extra zähem Fleisch hingegen, ist kein kulinarischer Höhenflug. 


Rioni-Ebene mit kl. Kaukasus
Rioni-Ebene mit kl. Kaukasus

Batumi - Khobi      24.09.2019       20 km      ↑50 m        ↓20 m

Route: Batumi bis Poti mit Taxi; Poti bis Khobi mit dem Velo

 

Endlich Velofahren… Es scheint uns eine Ewigkeit her, als wir das letzte Mal eine längere Strecke so zurücklegten. Heute ist es soweit. Die Fahrt mit dem Taxi über die einzige Strasse nach Poti gibt uns die Gewissheit, dass unsere Entscheidung gut war. Nach dem Fährhafen in Poti verringert sich das  Verkehrsaufkommen deutlich. Zeit auszusteigen, das Velo zu satteln und loszufahren. Wir biegen in eine geteerte Nebenstrasse ein und fahren durch die Ebene des Rioni-Flusses. Dass es manchmal zu Hochwasser kommt, erkennen wir an den Häusern, die auf Stelzen stehen. Rechts sehen wir die verschneiten Berge des kleinen Kaukasus und links im Norden des Grossen Kaukasus. Nur noch selten überholt uns ein Auto oder sonst ein Fuhrwerk. Die von uns gefürchteten Hunde fehlen ganz, zum Glück. Dennoch teilen wir die Strasse mit andern Vier- und Zweibeinern: Schweine, Ziegen, Kühe und Gänse. Die Häuschen entlang der Strasse sehen alt, teilweise recht verkommen aus - aber sie sind bewohnt. Wäsche flattert im Wind, Rauch steigt aus den Kaminen, Hühner gackern um die Wette, Gänse verteidigen ihr Territorium, ein Schwein oder eine Kuh mit Kalb fressen das saftig grüne Gras… Ländliche Idylle pur! 

Gegen Mittag treffen wir in Chobi, einem 4‘000-Seelendorf ein, wo wir die einzige Unterkunft weit und breit beziehen. (Wir planten eine kurze Route, weil wir nicht wussten, welchen Zustand die Strassen haben.) 

Mangels fehlenden Restaurants schlendern wir am Nachmittag durch den kleinen Markt, um uns einen Znacht zu organisieren. Gemüse, Käse, Früchte und Brot, aber auch allerlei Gebrauchsgegenstände und Kleider werden angeboten. Wir aber sind die Attraktion des Tages - vielleicht auch Jahres – die Leute kommen auf uns zu. Sie wollen wissen woher wir kommen, wohin wir gehen, ob es uns gefällt und selbstverständlich darf auch das „Föteli“ nicht fehlen. Mit dem Google-Übersetzer können wir das Wesentliche kommunizieren. Eine freundliche gereifte Frau, die wie eine Babuschka aussieht, spricht in den Google-Übersetzer. Über das, was dabei rauskommt: „Im Zimmer und auf der Couch werde ich sie begeistern“ können wir schmunzeln. Wir finden es wohltuend, dass die Frauen auch wieder vorne am Geschehen teilhaben. Die Welt scheint im Vergleich zur Türkei irgendwie bunter geworden zu sein! Im Dorf finden wir viele Relikte aus der UDSSR-Zeit, angefangen mit den pompösen Skulpturen von kräftigen Menschen, welche die Verwaltungsgebäude zieren, bis zu den heute baufälligen Plattenbauten.


Besichtigungs- und Organisationstag in Batumi    23.09.2011

Nach einem guten Frühstück machen wir uns auf, die Stadt zu besichtigen und zwei georgische Sim-Karten zu kaufen. Der Netzbetreiber Magti soll die beste Abdeckung haben, weshalb wir direkt diesen Laden anpeilen. Wir treten in den Laden ein. Vier Frauen und ein Mann sind auf irgendeine Art mit ihrem Handy beschäftigt. Es muss ihnen langweilig sein, denn ausser uns ist kein einziger Kunde da. Trotzdem, niemand schaut auf und fragt nach unseren Wünschen. Wir spüren hier noch etwas vom UDSSR-Groove, den das Land noch nicht ganz abgeschüttelt hat. Martin geht auf den einen Mann zu und teilt ihm unser Vorhaben mit. Der Mann zeigt zur Türe und sagt, dass wir zuerst eine Nummer (damit man weiss, wer an der Reihe ist) nehmen müssen. Etwas belustigt nehmen wir eine Nummer und gehen damit zum Schalter, wo die Nr. 42 aufleuchtet. Die Mimik der Frau ist so zu interpretieren: Hilfe, Kunde droht mit Auftrag! Missmutig nimmt die Dame unsere Nummer entgegen. Aus ihrem Gebaren leiten wir ab, dass wir den Pass mitbringen müssen, die ID ist für diesen Zweck offenbar nicht gültig. Die Dame nebenan versteht ein wenig Englisch und bestätigt unsere Vermutung. Wir holen den Pass im Hotel und machen nochmals einen Angriff auf die Ruhepausen der Magti-Angestellten. Wie gewünscht, nehmen wir diesmal selbstverständlich zuerst das „Nümmerli“. Bei der Dame, die ein wenig Englisch spricht, leuchtet unsere Nummer auf. Sie will nur einen Pass sehen und sagt dann, dass wir damit berechtigt seien 10 Sim-Karten zu kaufen. Wozu zehn / 10? Zwei genügen doch.

Anschliessend besuchen wir die Barbara-Kirche, den Dancing Fountain, die grosse Piazza und spazieren entlang der Seepromenade. Die Luft ist klar und frisch. Dennoch wagen sich einige Badefreudige ins Wasser. Wir stehen lieber auf der Plattform und versuchen die schneebedeckten Bergspitzen des Grossen Kaukasus mit dem Peakfinder ausfinden zu machen. Der Shkhara – Berg, der höchste in Georgien im grossen Kaukasus mit seinen 5193 m ist deutlich erkennbar. Weiter können wir den Elbrus, den höchsten Berg im Kaukasus, wo die Winterspiele in Sotschi stattfanden, vermuten.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit der Routenplanung. Ein Holländer, der mit dem Auto über den Kleinen Kaukasus fuhr, machte uns darauf aufmerksam, dass dort oben bereits Schnee liegt. Er gibt uns noch wertvolle Tipps, welche Strassen viel Verkehr haben. Wir entschliessen uns nach Norden, bis Poti mit dem Taxi zu fahren, denn aus den fehlenden Stossstangen und verbeulten Autos schliessen wir einen aggressiven Fahrstil; zudem ist Autobahn fahren mit dem Velo nicht sehr prickelnd in unserem Alter!

Was wir übrigens auch an Georgien schätzen, ist, dass wir das Wikipedia und das Booking.com wieder benutzen können.